Predigt Februar 2025

Liebe Alle,

Heute ist in ganz Deutschland Wahltag, also ein perfekter Tag um nicht über Politik zu reden.

Oder doch?

Ich habe die Predigen der letzten Monate noch einmal nachgelesen ; es ist immer gut etwas Selbstreflexion zu machen  und mir ist aufgefallen, dass ich manchmal auf eine indirekte aber fast altindianische Art über Politik spreche.  Meine Predigt beginnt immer mit einer Frage an Sie: bei Heiligabend habe ich gefragt “Wass soll der Pastor noch sagen”,  und zu Beginn dieses Jahres, also im Januar-Gottesdienst war die Frage “wie sollen wir anfangen?”.

Die Frage ist also Constante. Und das ist gut. Die Kirche ist der ideale Ort für Fragen: Ihre Fragen und natürlich auch die Fragen die Ihnen gestellt werden;

Fragen, orwellianisch vom Leben selbst, und orwellianisch bezeichnet eine repressive Haltung der Kontrolle, jedenfalls eine Unterdrückung humanistischen Werten, also orwellianisch von Ihnren Gegner und sehr manchmal auch von Ihnen selbst: warum handeln Sie so, wie Sie es tun?

Warum? Und das ist vielleicht die Frage, die “warum Frage”, die die meisten Menschen im Herzen tragen : “Warum?”; “Warum, oh Gott, warum?”.

Beginnen wir also Heute noch einmal mit einer Frage und hier kommt die Frage:  

wie geht es weiter mit……….. dem Christentum in Deutschland?  

Für viele Menschen scheint die Sache klar; die etablierten Kirche verlieren mehr und mehr nicht allein an Mitgliedern, sondern auch an Einfluss.

Aber bei näherem Hinsehen ist die Lage nicht so eindeutig laut einer aktuellen sozialwissenschaftlichen Untersuchung:  Staat und Kirche im 21. Jahrhundert von der Hanns Seidel Stiftung.

Obwohl es sich hier um einen unleserlichen und übertrockenen  wissenschaftlichen Studium handelt, enthält es dennoch einige interessante Dinge,

beispielweise die Antworten, die die Befragten einer repräsentativen Stichprobe auf die Frage ( wieder eine Frage!) gaben, die Frage “von wem gehen Gesellschaftliche neue Impulse aus?” ; also von wem gehen heute die wichtigsten Impulse für die Gestaltung unserer Zukunft aus und wer hat die besten Ideen und Vorstellungen dazu?

Was denken Sie?

Wie bereits erwähnt, ist heute Wahltag und vielleichts it es etwas entmutigend (oder vielleicht sollen wir sagen etwas demutigend) zu hören dass nur 32 Prozent der Befragten die Antwort wählen ‘Politiker und/oder politische Parteien’.

 Das ist kein so gutes Ergebnis, aber immer noch besser als das, was die etablierten Kirchen zusammen erreichen: nur 6 Prozent sind der Meinung dass wir  die Kirche für neue Impulse und Initiatieve in Gesellschaft und Wirtschaft  konsultieren sollten.

Schade.

Und das gilt sicherlich so für eine so marginale Glaubensgemeinschaft wie die der Remonstranten: wir sind gar nicht  relevant.

Vom Christentum als einem Stimulans der Zukunft und Verbesserung des Lebens kann aus Sicht der Deutsche Bevolkerung keine Rede mehr sein. Den meisten  Menschen dürfte der früher so selbstverständliche Gedanke, dass Hoffnung für die Zukunft und christlische Glaube miteinander zusammenhängt, heute fern liegen.

Wir können sagen, es ist alles ziemlich traurig.

Aber, seien Sie vorsichtig und urteilen Sie nicht zu schnell: es ist noch nicht alles verloren. 

Oder vielleicht sollten wir sagen : das Wichtigste ist noch da!

Auf die Frage welche Eigenschaften dem Christentum zu zuordnen seien, meinen 80 Prozent der Befragten, das der christliche Glaube sei von Nächstenliebe geprägt. Hallelujah, wir lasen heute Morgen Mattheus 22:30-40.

In fast allen unseren Gottesdiensten, Predigten und Versammlungen , zB das aktuelle Wintercafe am Mittwoch- und Sonntagnachmittag ist die Nächstenliebe das zentrale Thema und die Botschaft die wir vermitteln wollen!

Unsere Remonstrantische Menschenbild führt zur Nächstenliebe.

Wir glauben, dass menschliches Leben, Handeln und Zusammenleben ohne eine Orientierung an Werten nicht denkbar ist.

Aus unser Sicht bietet das nicht-dogmatische christliche  Wertsystem der Liebe Gottes in Christus diese Orietierung in grosse Masse.

Das Fundament der Liebe Gottes ist die Achtung der Würde jedes Menschen, denn diese Würde ist gottgegeben.

Jeder Mensch besitzt diese Würde als Individuum. Sie wird ihm nicht erst in einem oder durch ein Kollektiv zu teil: jeder Mensch ist aufgefordert die Würde seines Mitmenschen zu achten, sie zu respektieren, ja mehr noch, seine Mitmenschen zu lieben! 

Da diese menschliche Würde etwas sehr individuelles und persönliches ist, gebietet die Achtung der Würde des anderen auch unmittelbar Toleranz gegenüber jedem Mitmenschen.

Toleranz, das immergrüne, winterhart robuste  Wort der Remonstranten schliesst eine Begrenzung des eigenen Handelns ein. Sie bedeutet nichts anderes als den anderen in seiner individuellen Würde zu lassen, wie er oder sie ist.

Das kann aber auch von anderen in Bezug auf die eigene Person erwartet werden. Aus der Würde des Menschen leitet sich die Freiheit, neben Toleranz das zweite und ebenso wichtige Stich- und Schüsselwort der Remonstranten, also die Freiheit der Person und auch zugleich ihre Begrenzung in der Freiheit der Mitmenschen ab.

 Nicht minder wichtig für menschliches Zuammenleben ist der demutige Gedanke, dass der Mensch grundsätzlich unvollkommen ist. Remonstranten sind vom Heidelberger Katechismus nicht so begeistert dass der Mensch in Sünde geboren wird und zu wenig Gutem oder so etwas (ich weiss nicht auswendig was der Heidelberger Text genau sagt) fähig ist, aber wir wissen es gibt keinen idealen Menschen; also, Remonstranten haben kein Schönheitsideal und glücklicherweise auch keine Influencer.

Aber wichtiger, wir wissen dass jeder Versuch Menschen nach einem Ideal zu formen immer vollständig scheitern muss; leider so auch mit verheerenden Folgen für die Menschen die es versuchen oder mitmachen mussen.

Aus der von Gott gegebenen Würde des Menschen und seiner gleichzeitigen Unvollkommenheit  ergibt sich, dass wir die Menschen so nehmen wie sie sind.

Jeder ist anders, jeder ist individuell, jeder hat Stärken und Schwächen, jeder hat andere Schwerpunkte und Interesse,

und wichtig: jeder hat ein Recht darauf.

Remonstranten glauben dass die grundlegende Werte einer menschlichen Gesellschaft Toleranz, Freiheit und deswegen Pluralismus sein muss und damit ziehen wir eine direkten Linie vom christlichen Menschenbild in Gottes Liebe zu den Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung. Für Remonstranten ist es prinzipiell unvereinbar mit Ihrem Glauben den Menschen nach bestimmten Vorbildern oder Mustern formen zu wollen, bestimmte politische Philosophien vorzugeben oder sich gegen andere Sichtweisen immunisieren zu wollen.

Remonstranten glauben und wissen das menschliches Zusammenleben, Handeln und Lieben einen Wertkanon brauchen, nämlich Toleranz, Freiheit, Verantwortung und Gerechtigkeit. Anerkennung des anderen und seiner Individualität, also Toleranz, aber auch Freiheit in der Sinne von Einhaltung der Grenzen der Freiheit  wo die Freiheit anderer berührt wird, bilden das oft unsichtbare Fundament der schönen Luftschlösser die wir als Christen errichten wollen.

Und bevor Sie es wussten, hören Sie wieder, wenn auch wiederum indirekt, viel über Politik. Ich möchte es bei diesen Ausführungen zu den Grundlagen des Remonstrantischen Verstandnisses von Zusammenleben belassen.

Zusammengefasst: die Würde des Menschen die es uns allen zu achten gilt, leitet sich daraus ab, dass Gott den Menschen liebt. Dieses gilt nicht nur Christen oder andere  feine Leute, sondern gilt für alle Menschen, Ja für die gesamte Schöpfung,  womit  “die ganze Schöpfung” eine gewisse gottgegebene Würde zukommt, die respektiert werden muss.

Und damit kommen wir zum Schluss zum Kern der Sache wo-rum  -nicht warum- das menschliche Leben dreht; also worum geht es letzendlich?  

Laut Heidelberer Katechismus folgt die Antwort unmittelbar auf die Frage, Nu Ja, die Antwort ist ….

die Liebe!

Die Liebe die von Gott kommt und die letztlich Gott ist. Gott ist Liebe wie wir heute Morgen noch einmal aus der Bibel gehört haben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie viel Freude es mir gemacht hat, das heute Morgen wieder zu lesen und vorzulesen aus dem ersten Brief von Johannes!  Das ist es. Das ist es was uns am Laufen hält; das ist es wofür wir leben und lieben; das ist es woraus wir unsere Hoffnung schöpfen; das ist es was uns tröstet; das ist es, die Liebe Gottes, der Grund warum wir trotz Gegenstand, vielleicht manchmal auch Verzweiflung, Wut und Traurigkeit weitermachen….

Wir leben weiter, wir lieben weiter, wir versuchen zu vergeben egal wie schwer es ist….

Wir werden uns weiterhin lieben, wir werden uns weiterhin gegenseitig ermutigen, wir werden weiterhin einander suchen, wir werden weiterhin an die Türen des anderen klopfen wie Jesus sagte “Ich stehe an der Tür und ich klopfe”; wir werden versuchen sanft zu klopfen; wir werden versuchen Jesus nachzuahmen;

wir werden versuchen zart und sanft zu sein und zu bleiben;

Liebe alle, das ist eigentlich in diesem Moment, Ja in dieser schweren Zeit und in diesen politisch bedrohlichen Zeiten am wichtigsten, nämlich die Frage:

wie hält man sein eigenes Herz weich?

Verhärte dein Herz nicht, sondern lass dich leiten, laut Psalm 95!

Ein zartes Herz spürt die Wut und Angst , aber vor allem die Schönheit und den Mut. 

Wie hält man sein Herz weich und zart?

Der einzig beste Weg ist sich nicht der Wut oder der Verzweiflung hinzugeben, sondern der Liebe und dem Mitgefühl  im Geiste Jesu:

 Er hilft zu jeder Zeit und Er unterstützt uns an jedem Ort und Er stärkt uns immer unsere Schwäche zu überwinden, wenn wir nur versuchen würden Ihm nachzuahmen.

Amen.

Rotterdam, Februar 2025