Gottesdienst 28 Juni 2020

Bibellesungen:
Psalm 138: 6 – 8.
Lukas 10: 25 – 37.

Gebet:
Lieber Gott,
wir kommen zu dir, mit unserem Gebet,
weil auch wir, in unserem Gebet, in unserem Leben,
von deiner Hoheit wissen, von deiner Erhabenheit,
als eine Erfahrung die uns je getroffen hat,
als ein Bild, nach dem wir ermessen
was wirklich wichtig ist im Leben von Menschen,
als eine Leere manchmal auch, wenn wir wir nichts mehr im Leben erfahren
was an diese Erhabenheit beantwortet,
wenn alles nur flach, eintönig ist.
Gib, Gott, dass wir wieder wissen, und erfahren,
was deine Erhabenheit für uns bedeutet,
wie diese in unserem Leben den Unterschied ausmacht
zwischen dem was wichtig für uns ist, was nicht;
gib dass deine Erhabenheit sichtbar wird im Handeln von Menschen,
den Unterschied ausmacht zwischen dem
was die Liebe für Menschen fördert, und dem
was soviel zerstört was Menschen an gutes aufgebaut haben,
an Vertrauen, an Mitgefühl, an Liebe.
Gib dass wir deine Erhabenheit auch in unserem Leben
umsetzen können in einfachen Taten von Nächstenliebe,
von Hilfe, wenn diese nötig ist,
von Verständnis für das Leiden von Menschen,
von Weisheit, damit wir verstehen
was dir vor Augen steht für unsere Welt.
Damit es gut ist für uns alle um zu leben.

Amen.

Predigt:
Es lag ein Mann am Boden, hilflos. Etwas schreckliches war passiert. Oder drohte zu passieren. Was können die Umstehenden (die es gibt) jetzt tun? Was können die Passanten (die es gibt) für ihn tun?

Das sind die ewige Fragen, die immer wieder gestellt werden müssen. Auch an uns. Fragen von damals, Fragen von jetzt. Fragen woran wir nicht vorbeigehen können, ohne unsere Menschlichkeit zu verlieren. Fragen die wir uns mindestens einmal in unserem Leben gestellt haben müssen, damit wir wirklich wissen was wir tun können. Wenn es darauf ankommt um zu handeln. Wenn das Leben eines Menschen in Gefahr ist, und wir – zufälligerweise – in der Lage sind dieses Leben zu retten. Wann passiert das eigentlich?

Lass uns heute in der Aktualität anfangen. Vor zwei Wochen gab es eine grosse Demonstration gegen Rassismus, in London dieses Mal, so wie das heute auch in unseren beide Ländern oft passiert. Weltweit ist Rassismus ein Thema, das aufs neue gelöst werden muss. Oder mindestens versucht werden muss um das endgültig zu lösen. In London verlief diese Demonstration ziemlich ruhig, bis eine Gruppe Gegen-Demonstranten von Rechtextremisten (sagt man) diese Demonstration verstörte. Es gelang die Polizei nicht die beide Gruppen getrennt zu halten, und es wurde gekämpft. Plötzlich lag ein weisser Mann, rechsextremist, auf den Boden, wie ist unbekannt, aber ein schwarzer Mann hob ihn vom Boden auf, hob ihn auf seinem Schulter und brachte ihn in Sicherheit. In viele Zeitungen stand ein Foto von diesem Moment. Später wurde der schwarze Mann, Patrick Hutchinson, vom Fernsehen gefragt warum er das tat: “Um einen Mord vorzubeugen”, sagte er. Damit dieser Gegner nicht von den zahllosen Menschen zertreten wurde. Damit ein Mensch gerettet wurde, obwohl er ein Gegner war.

Wie klar sind wir über dasjenige was wir offenbar unbedingt tun müssen?

Dieser Hutchinson wusste das genau. Sein Beruf ist ‘personal coach’, persönlicher Berater: er arbeitet also täglich mit Menschen, und weiss was sie brauchen. Aber auch das ist noch keine Garantie, um auf dem Moment worauf es ankommt genau das richtige zu tun. Warum tun Menschen dann einfach das richtige?

Es hilft vielleicht die richtige Beispiele vor Augen zu haben. Beispiele die eine gewisse Autorität für uns haben, Beispiele die uns je vorgeführt sind, worüber wir nachgedacht haben, und die uns im richtigen Moment einflüstern was wir tun können,  tun müssen. Das können Beispiele sein von Menschen die wir persönlich gekannt haben, sie können auch aus dem grossen Fond der Geschichte stammen, so wie zum Beispiel aus der Bibel. So hat auch oft die Geschichte des barmherzigen Samariter eine wichtige Rolle gespielt in den Überlegungen von Menschen: das ideale Modell eines Menschen, der genau das richtige getan hat, in eine beladene und gefährliche Situation. Diese Geschichte ist so bekannt dass wir oft vergessen wie wichtig diese eigentlich ist. Deshalb möchte ich heute in drei Punkte zusammenfassen warum es geht.

An erster Stelle müssen wir dann sagen, dass diese Geschichte eine Anklage ist.

Eine Anklage gegen diejenigen, die nichts tun. Obwohl sie genau wissen das etwas getan werden muss. In dieser Geschichte, worin ein Mann von Räubern überfallen ist, und halb tot am Rande des Weges liegt, gehen verschiedene Menschen an ihn vorbei, ohne etwas zu tun. Mit Nachdruck wird erzählt, dass sie ihn sehen und weitergehen. Sehen ist hier (wie so oft) vorbeisehen: nicht sehen wollen worauf es ankommt. Wenn Menschen nicht den Mut haben, nicht die Zeit (denken sie), nicht die Kapazitäten um einfach zu handeln. Obwohl es meistens nur auf ein bisschen Menschlichkeit ankommt, ein bisschen Barmherzigkeit; auf das richtige Mitgefühl mit einem Menschen in Not. Dabei kommt, in dieser Geschichte, dass die Anklage Menschen betrifft, die besser wissen müssen; von wen man erwarten darf, dass sie sehen wollen was passiert; sehen wollen was notwendig ist um zu tun; die wissen dass sie sich daran nicht entziehen können: Priester, Tempeldiener, Menschen die glauben dass es einen Gott gibt der seine Diener braucht. Mit dieser scharfe Anklage fängt die Geschichte an, damit wir diese nicht vergessen. Vor allem nicht im Moment das man uns braucht.

Das zweite in dieser Geschichte das ewig wichtig bleibt, auch in unsere Zeit, das ist die Unzulässigkeit des Vorurteils: dass wir uns von unseren Vorurteile bewusst werden und gleichzeitig wissen, dass sie nicht gültig sind. Dass wir diese nicht in der Praxis umsetzen dürfen, und immer in der Situation sind, dass wir für die Gleichberechtigung von Menschen stehen. Im Gleichnis Jesu geht es um einen Samariter, einen Menschen der steht für die von anderen geringgeschätzen, geächteten Menschen. Ausgerechnet der von dem wir es nicht erwarten, ist derjenige der hilft, der die notwendige Hilfe leistet. So etwas muss auch der weisse Mann in London erfahren haben: das er von einem Mann gerettet wurde, gegen wen er demonstrierte; den er beleidigt haben muss, vielleicht eben hasste. Wie wurde er später über seine Urteile/Vorurteile denken? Könnte es eine Umkehrung in seinem Leben bedeuten?

Wir können eigentlich nicht zurückbleiben hinter denen, die uns die gute Vorbilder sind. Die wir bewundern um etwas das wir uns selber nicht so leicht zutrauen, und dennoch hoffen, dazu imstande zu sein. Um unser Selbstrespekt zu bewahren. Um den Erwartungen Gottes zu beantworten. Um uns verantwortlich zu wissen für etwas mehr Menschlichkeit in unserer Welt.

Und das dritte und letzte dieser Geschichte geht über die Frage, wer “der Nächste” eigentlich ist. Es ist wichtig dabei die “Logik der Nächstenliebe” zu betrachten. Unsere Geschichte fängt an mit der Frage, “wer mein Nächster ist”: wen muss ich lieben wie mich selbst? Die Geschichte endet aber mit der Gegenfrage: “wer hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?”

“Der Nächste” ist hier also eine Definition von uns selbst, und vielleicht eine der wichtigsten: wir haben also an erster Stelle ein Nächster zu sein, für Menschen in Not. Für Menschen, die auf dem Boden liegen, hilflos. Für Menschen die den Boden ihres Lebens erreicht haben, und nicht mehr wissen, wie sie nach oben steigen können. Wie sie aufstehen können, und leben. Für sie haben wir die Nächsten zu sein, barmherzig, liebevoll. Wir können sie vielleicht nicht auf unseren Schultern tragen, aber wir können versuchen sie zu sehen, und so zu helfen wie es uns möglich ist.

Im letzten Jahr seines Lebens, als es ihn sehr schlecht ging, hat Vincent van Gogh ein Bild des “Guten Samariter” gemalt, eigentlich eine Kopie eines Bildes von Delacroix. In diesem Bilde hat er sein eigenes Verlangen nach Hilfe gemalt, und gleichzeitig die Bereitschaft um selber diese Hilfe zu leisten. In der lichtende Gestalt eines Menschen, der den am Boden liegenden Mann auf sein Reittier hob. Um im Namen Gottes zu zeigen was Liebe vermag, und von ihm die Kraft dazu zu empfangen. Um weiterzuleiten was wir in unserem Leben einfach tun können.

Amen.

Gebet:
Lieber Gott,
wir bitten dich für die Menschen die noch immer geächtet werden
um die Farbe ihrer Haut, in unseren weissen Ländern,
die zu uns gekommen sind weil wir sie brauchten,
die zu uns gekommen sind weil sie uns brauchten,
die bei uns sind, auch in der Hoffnung
als gleichwertige Menschen gesehen zu werden,
einfach als Mensch gesehen zu werden,
in ihrer Freude, in ihrer Not, in ihr Verlangen
um glücklich zu sein.
Wir bitten dich für die Menschen die den Mut haben
um anderen in ihrer Not zu sehen,
zu sehen was wirklich der Fall ist;
die die Klarheit haben um zu bedenken
wo sie notwendig sind, wo sie anwesend sind,
und dazu bereit, auch wenn sie nicht genau wissen
was die Risiken sind für sie, wie gefährlich die Situation ist,
nur davon überzeugt, dass Hilfe notwendig ist
und sie einfach da.
Gib uns, Gott, alle die Klarheit um zu unterscheiden
was gut ist in unseren Gefühlen,
was notwendig ist um zu tun,
damit wir deine Menschlichkeit repräsentieren
in unserer Umgebung, in dieser Welt,
wo Menschen in Not sind,
unter Vorurteile leiden,
hoffen dass sie gesehen werden, so wie sie sind,
in ihrer Menschlichkeit.
Sei bei uns allen, Gott,
mit deiner Liebe, mit deiner Kraft.

“Onze Vader….”

Amen.