Gottesdienst Ostern 2019

Bibellesungen:
Psalm 16: 8 – 11.
Johannes 20: 1 – 18.

Gebet:

Lieber Gott,
voller Freude sind wir heute zu dieser, in unserer Kirche gekommen,
um zusammen das Fest von Ostern zu feiern,
um gemeinsam auch das Fest einer Konfirmation zu feiern,
den Beitritt eines jungen Menschen zu unserer Kirche,
weil er es damit wagt in seinem Leben.
Es ist fast unvermeidlich, lieber Gott, um dann auch heute
die grosse Worte zu benutzen, uns von altersher gegeben,
die uns von unseren Eltern, Grosseltern, und eine lange Tradition von Menschen,
gereicht sind, um immer wieder zu versuchen um auch uns
ein fester Boden für das Leben uns zu geben,
damit wir glücklich sind, uns eine eigene Stelle wählen können,
damit es gut geht, auch in unserem Leben.
Die grosse Worte sind uns so gereicht, dass wir auch wissen,
dass es ein Spielraum gibt in diese Worte selbst,
dass wir in unserem Leben darin wachsen können,
immer mehr verstehen können was sie eigentlich bedeuten;
wie sie uns immer näher bringen können
an den Geheimnisse des Lebens, zu dem Geheimnis auch von dir.
Wir bitten dich, dass du uns weiter hilfst,
um auch die größte Worte wirklich zu verstehen,
Worte wie Tod und Leben, wie Auferstehung auch,
was sie für uns bedeuten können, immer wieder,
in all den verschiedenen Momente unseres Lebens;
ob wir jung sind oder alt, gesund oder gebrechlich,
uns stark wissen, unverletzlich, oder auch unsicher sind
was das Leben für uns wirklich ist.
Sei bei uns allen, Gott, und zeige uns die Pfade
die wir im Leben gehen, damit es Freude gibt in Fülle,
für dich, für uns, als deine Menschen.
Amen.

Predigt:

Wie verschiedenartig die Erfahrungen auch von jungen Menschen sein können, und wie sehr sie deshalb auch verschiedene Möglichkeiten in sich haben für die wichtigste Entscheidungen unseres Lebens, – das kann man lesen in den Jugenderinnerungen des besonderen (und heute lebenden) deutschen Dichters Durs Grünbein. Diese sind vor einige Jahren erschienen unter dem Titel “Die Jahre im Zoo”. Er beschreibt seine Jugend in Dresden, wo er geboren ist, und vor allem in Hellerau, eine Vorstadt von Dresden, eine Gartenstadt (wie es heisst), wo er aufgewachsen ist. Zwei Elemente dieser Erinnerungen möchte ich heute hervorheben, bei dieser Konfirmation mit Ostern.
Erstens seine Spiele mit den anderen Jungs in der Freizeit, wann die Schule (und die für sie damit gegebene Langeweile) endlich vorbei waren, und man draussen spielen konnte, in den Garten des Dorfes und noch weiter herum. Grünbein schreibt: “Am liebsten trieben wir uns an Orten herum, die für erwachsene Leute vollkommen reizlos waren, auf Brachen und Schuttplätzen, in den toten Winkeln der Grünanlagen, im Schatten einer eingestürzten Feldsteinmauer. Solche Nicht-Orte waren die bevorzugten Treffpunkte. Drei Kilometer in jede Himmelsrichtung maß unser magischer Kreis, in dem wir Schulfreunde uns drehten und drehten.” Als eine Art Zusammenfassung ihrer Extase von damals schreibt er: “ (man) war alles zugleich, Raupe und Puppe und junger Schmetterling” (181). Was natürlich ein wunderschönes Bild ist der Leichtigkeit, der Verwandlungsbereitschaft und -fähigkeit, womit Kinder, Jugendlichen, imstande sind sich auf das Leben vorzubereiten. Zusammen mit anderen, manchmal, auch in nicht ungefährliche Spiele, aber auch in teuere Freundschaften, und in wichtigen, auch schockierenden Ereignisse im Leben. Das Bild der Schmetterlinge übrigens ist hier nicht zufällig gewählt: auch die verschiedene Kapittel des Hauptteils des Buches sind mit den Namen verschiedenen Schmetterlinge benannt: sie fliegen also durch das ganze Buch hindurch.
Aber auch Kinder sind nicht immer mit anderen zusammen. Es gibt auch Einsamkeit; oder mindestens Momente wenn man alleine ist. Und diese Momente der Einsamkeit sind manchmal mindestens so wichtig wie die Momente die wir mit anderen teilen.
Durs Grünbein schreibt, in einem längeren Abschnitt:
“An einem dieser Hellerauer Faulenzertage begann es, das ich die Stimme hörte. In den Stunden größter Einsamkeit, hochverdichteter, konzentrierter Einsamkeit, meldete sich die Stimme. Meldete sich in den Momenten des ziellosen Herumwanderns im Garten – und dann war ich der Garten. Auf dem Sandhügel vorm Haus, und der Sandhügel war ich. Im Geäst des Kirschbaums, als ich der Kirschbaum war, immer dann war sie dar.
Sie sprach deutlich zu mir, direkt in mein Ohr hinein sprach sie, aber von draußen, soviel war sicher. Hielt sie sich hinterm Nacken versteckt, dicht über den Schläfen oder darunter? Sie war hier und da, eigentlich überall, wohin ich mich wendete, wohin ich sah. Rasch bewegte sie sich, verstummte dann plötzlich, verharrte wie das Eichhörnchen am Baumstamm, das mit aufgerissenen Augen innehielt, die Ohren gespitzt. Immer sprang sie mir unverhofft über den Weg, mal grundlos munter, mal von Traurigkeit schwer.” Soweit Grünbein.
Sie hat etwas geheimnisvolles, diese Stimme, für ihn, der diese Stimme nicht erwartete, auch nicht immer gemocht hat, wie er später schreibt: er mag lieber seine eigene Eingebungen, “und sonst nichts und niemanden”, wie er deutlich schreibt. Hier wird, bei diesem jungen Menschen, und von ihm selbst, die Spannung beschrieben, die sich im Leben manchmal vortut: die Spannung zwischen unsere Autonomie, was wir selber mit unserem Leben tun wollen, und dem was von draussen hereinbricht. Eine Stimme die wir hören, in unserer Einsamkeit, und die uns hinausweist über den Grenzen unseres normalen, täglichen Leben, hinaus. Wie hier, in diesem Fall, die Erfahrung einer neuen unbedachte Identität: dass wir sind, was wir wahrnehmen. Dass das Ich eines Menschen erweitert wird mit dem was uns umringt, und wir aufgehoben werden zu einer neuerwachte Person.
Besonder in dieser Beschreibung seiner neuen Erfahrung von Grünbein ist, dass er diese nicht näher benennt mit Worten aus irgendeiner religiöser Tradition, auch nicht die christliche, womit er nicht aufgewachsen war, und wozu er sich vielleicht auch nicht bekennt. Die er aber dennoch in ihre Reinheit beschreibt, als eine für ihn wirklich neue Erfahrung, verwandt mit den Urerfahrungen der Mystiker aus allen religiöse Traditionen, und wovon man sagen darf, dass Kinder und Jugendlichen manchmal ein besseres Gespür dafür haben als Erwachsene, die manchmal zu viel schon in ihren eigenen Gedanken eingesponnen sind.
Sehr unterschiedliche Erfahrungen eines jungen Menschen, also, die alle sehr authentisch sind: im gemeinsamen Spiel mit anderen, in eine Solidarität als Übung fürs weitere Leben, und in einem Wissen, was in einer “konzentrierter Einsamkeit” passieren kann, im Gespür für dasjenige das unsere Eigenheit übersteigt. Im Hören einer Stimme, die uns ruft zu etwas was wir noch nicht wissen.
Nun ist es heute Ostern, und wenn wir von den Erfahrungen des jungen Grünbeins, – und die Erfahrungen von jungen Menschen im allgemeinen, – zurückkehren zu den Erzählungen die uns über den frühen Ostermorgen überliefert sind, dann können wir verschiedene Elemente zurückfinden die wir heute schon begegnet haben. Sowohl die “konzentrierte Einsamkeit”, wie die Solidarität zwischen den damals anwesenden Menschen.
Es fängt mit der Einsamkeit an. Mit Maria von Magdala, eine der getreuen Frauen, die um Jesus herum lebten. Sie trauert um seinen unverständlichen Tod, und mag am liebsten trauern in seiner Nähe, bei seinem Grab. Sie geht “frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.” Im Dunkel fängt es an, in einem nicht-Verstehen, in einer Traurigkeit die alles verdunkelt, unsichtbar macht. Nur dass der Stein weggerollt ist, vermag sie zu sehen, und auch das ist schon unbegreiflich. Sie rennt zu den Jüngern, um sie dabei zu rufen: mit ihrer Stimme weckt sie sie zu einer neuen Alertheit, sie müssen unbedingt mitkommen. Dann sehen sie, Petrus und der andere Jünger, der von Jesus geliebte (wie er nur im Johannes-Evangelium vorkommt), auf unterschiedliche Weise, wenn sie in das Grab hineingehen, dass das Grab wirklich leer ist. Sie können das nicht verstehen, und in ihrem grossen Verständnislosigkeit kehren die beide Jünger nach Hause zurück. Sie wissen nichts anderes zu tun als zu versuchen zu sich selber zu kommen, vielleicht im Gespräch mit einander, vielleicht durch eigenes Nachdenken, in der Zeit; sie wissen es selber nicht. Aber Maria von Magdala bleibt – alleine – hinter beim Grab, in sich geschlossen durch ihre Trauer, geblendet von ihren Tränen, nichts mehr sehend von dem was dennoch zu sehen ist.
Bis sie eine erste Stimme hört. Genau wie bei Grünbein, in seiner Geschichte, kann sie diese Stimme nicht deuten. Sie kommt von draussen, nicht von ihr selbst, soviel ist deutlich, aber von wem, das kann sie nicht sagen. Später vielleicht hat man gedacht dass Maria von einer der beiden Engel gerufen wurde, die im Grab die Wache hielten. Aber vielleicht stehen die Engel auch hier für unsere Verlegenheit um die angemessene Lösung zu finden, die passende Gedanke um die schwierige Situation wirklich zu verstehen. Auf jedem Fall haben die Engel kaum geholfen, um die Augen von Maria wirklich zu befreien, ihr wieder klare Sicht zu geben.
Wenn sie dann etwas später draussen ist, hört sie erneut eine Stimme. Sie sieht jemand stehen, durch ihre Tränen hindurch, und sie denkt dass es der Gärtner ist, der hier seine Arbeit tut, in diesem Nicht-Ort. Dann aber wird sie mit ihrem Namen gerufen: Maria. Nur mit diesem ihrem Namen. Sie wird damit zu sich selber gerufen, und damit zu allem wozu ein Mensch in seinem Leben gerufen werden kann. Zu sich selbst, und zur Anerkennung seiner wesentliche Erfahrungen, so wie hier ihre wesentliche Verbindung mit Jesus, als den Grund ihrer Existenz. Zu sich selbst, und damit zu dem wesentlichen Auftrag in ihrem Leben: was wir in unserem Leben unbedingt tun müssen. Zu sich selbst, und damit zu einem wesentlichen Glauben, als den Grund um unsere Einsamkeit zu tragen, und unsere Solidarität mit anderen Menschen ausüben zu können.
So etwas könnte auch die Erfahrung der Konfirmation sein. Als die Erfahrung eine Stimme gehört zu haben, auch wenn wir nicht genau wissen aus welcher Richtung diese genau kam, und in welcher Richtung diese uns ruft.
Eine Stimme als die Erfahrung dass es mehr gibt im Leben als die eigene Eingebungen, die eigene Pläne, vielleicht auch mehr als die eigene Freunde.
Eine Stimme, letztendlich als eine Stimme, womit Gott uns versucht zu erreichen, in uns ein Gespür weckt für die verletzliche Seiten unserer Existenz, für die Kostbarkeit des Lebens, und für die Notwendigkeit der Liebe. Die wir empfangen können, und empfangen haben; die wir geben können, und immer auch schon gegeben haben.
Eine Stimme die uns weckt um Vertrauen ins Leben zu haben. Mit allem was wir sind und können.
Amen

Gebet:

Lieber Gott,
wir bitten dich, dass wir deine Stimme hören können
auch in den verwirrenden Erfahrungen unseres Lebens,
wenn wir nicht wissen ob wir traurig sind,
nicht wissen ob wir glücklich sind,
nicht wissen auch in welcher Richtung unser Leben sich bewegt;
gib dass wir deine Stimme hören können als den Ruf zum Leben,
als den Ruf um uns selbst zu sein, um dich verstehen zu können,
in alle Geräusche unserer Welt, durch alle Stimmen hindurch
die uns erreichen, die uns verwirren, die uns zu viel aus uns selber ziehen.
Wir bitten dich dass wir verstehen können
wie du auch uns zu Gemeinschaft mit anderen Menschen rufst,
die wir selber brauchen, um vollauf Mensch zu sein,
die anderen brauchen um sich unterstützt zu wissen, auch von uns,
um wieder geöffnet zu werden fürs Leben,
um gemeinsam zu entdecken wie schön das ist,
wieviel uns wird gereicht, wie kostbar Menschen sind.
Wir bitten dich, auch heute, für die Menschen
die sosehr durch den Tod umfangen sind,
dass sie kaum mehr sehen was Leben sein kann;
die flüchten vor Gewalt in ihrem Land,
die fürchten vor dem Tod in ihrer Krankheit,
die so von Hoffnungslosigkeit erfüllt sind,
dass sie kaum mehr sehen wie sie leben können;
sei du bei ihnen, Gott, als einer
der sie zum Leben führt, mit deiner Stimme;
die uns zu einem neuen Verständnis aufweckt
von wer wir wirklich sind, mit deiner Hilfe.
Weck uns alle zum Leben, Gott, damit wir alle, zusammen,
so etwas wie dein Ebenbild sein können, in unserer Welt, die dich sosehr braucht.
“Onze Vader…”
Amen.