Gottesdienst Heiligabend 2020

Bibellesungen:

Jesaja 9: 1 – 6.

Lukas 2: 1 – 20.

Gebet:
Auch wir kommen zu dir, lieber Gott,
an diesem Heiligabend,
um wieder zu hören von deinem Licht
in der Finsternis, die es auch für uns gibt;
um wieder zu wissen dass es möglich ist,
dass auch wir erleuchtet werden in der Nacht;
um wieder darauf zu vertrauen
dass du bei uns bist, in unserer Verletzbarkeit,
mit deiner Macht, die zerbricht was uns beängstigt,
mit den Zeichen auch deiner Zerbrechlichkeit
die uns Aussicht auf neue Kräfte bieten;
mit deiner Geduld, mit deiner Liebe,
die uns in einem kleinen Kinde zeigen
wie du deine Hoffnung auf unsere Wachstum stellst,
größer werdend in unsere Liebe,
klarer werdend in unseren offenen Augen,
behilfsamer mit unseren Händen,
immer mehr verstehend wie du uns nah bist;
wie du zeigst wie unser Leben sein kann,
wie wir mit einander zusammen leben können,
wie wir selber ein Zeichen sein können
von deiner Anwesenheit in unserer Welt,
von deinem Licht in unserer Finsternis,
von deiner Treue in unserer Einsamkeit.
Sei du bei uns, lieber Gott,
in unserem Leben, in dieser Welt,sei bei uns allen, die dich brauchen.

Amen.

Predigt:
Wir werden die Weihnachten von diesem Jahr nie vergessen, denke ich. Soviel ist anders geworden als wir gewohnt sind. Wir können nicht mehr mit soviel Menschen zusammen sein, als wir eigentlich wünschen. Nicht mehr zu Hause, nicht mehr in der Kirche, nicht mehr auf alle andere Stellen, wo wir mit Freunden zusammen sind, und Spass mit einander haben (wie denn auch). Die Atmosphäre von Weihnachten, die es für unser Gefühl immer gab, auch in der Stadt, ist (für wichtige Teile) verschwunden und die Frage bleibt übrig: was kann Weihnachten dann jetzt für uns sein? Gelingt es uns jetzt etwas von dem heiligen Ernst und der ansteckende Fröhlichkeit von Weihnachten zu verwirklichen?

Vielleicht ist die Wille um Weihnachten jetzt wirklich zu feiern das wichtigste.

Ich musste denken an eine Geschichte, die die Schriftstellerin Herta Müller, Nobelpreisträgerin in 2009, in ihrem Buch “Atemschaukel” erzählt. Sie selber stammt aus der Deutschen Gemeinschaft in Rumänien, die am Ende des Krieges grösstenteils in Russischer Gefangenschaft geraten ist, und dort noch lange Zeit geblieben ist. Ihr Roman spielt in einem solchen Lager, wo Kälte, Hunger und Unfreiheit bestimmende Faktoren sind. Hauptperson ist ein junger Mann, der Kohlen schaufeln muss für einem Fahrer, an einem Abend, ausserhalb des Lagers. Es ist kurz vor Weihnachten. Der Fahrer ist innerhalb eines Hauses, um Wodka zu trinken, und der Jungen sieht, wenn er fertig ist mit seiner Arbeit, innerhalb eines verwilderten Park Tannen stehen. Bevor er es weiss, geht er hin, um einige Äste abzubrechen. Aber, zurück beim Lagertor, werden sie entdeckt und von ihm abgenommen. Aber er kann es nicht lassen um dennoch zu versuchen so etwas wie eine Weihnachtsatmosphäre zu schaffen. Und dann schreibt Herta Müller:

“In drei Tagen war Weihnachten – ein Wort, das grüne Tannen in die Zimmer stellt. Ich hatte nur die zerrissenen grünen Wollhandschuhe von meiner Fini-Tante im Koffer. Der Advokat Paul Gast war seit zwei Wochen Machinist in einer Fabrik. Ich bestellte Draht. Er brachte mir ein Bündel handlang geschnittene Drahtstücke, an einem Ende zusammengeschnürt wie eine Quaste. Ich baute einen Drahtbaum, zog die Handschuhe auf und knüpfte grüne Wollfäden so dicht wie Nadeln an die Äste.

Der Weihnachtsbaum stand auf dem Tischchen unter der Kuckucksuhr. Der Advokat Paul Gast hängte zwei braune Brotkugeln dran. Wieso er Brot zum Schmücken übrig hat, fragte ich mich damals nicht, weil ich sicher war, er wird die Brotkugeln am nächsten Tag essen, und weil er beim Kneten der Kugeln von zu Hause erzählte.”

Hier wird erzählt wie Menschen das ihnen mögliche tun um Weihnachten zu feiern.

Um mindestens einen Weihnachtsbaum im Zimmer zu haben, sichtbar, als ein Zeichen von etwas das bleibt. Das vor Augen bleibt, als Zeichen von etwas das in unserem Herzen bleibt. Der Jungen tut alles mögliche um einen Tannenbaum zu schaffen, wissend wie gefährlich das für ihn sein kann. Der Advokat spart sich etwas Brot aus dem Munde, knetet Kugeln daraus, um sie in den Tannenbaum zu hängen. Damit dieser wirklich aussieht wie ein Festbaum. Dabei erzählt er von zu Hause: weil wir am Weihnachten, wo wir auch sind, wie jung oder wie alt auch, an unserem  Zuhause denken. Weil Weihnachten und Zuhause – wo denn auch – immer mit einander verbunden bleiben. Und weil wir unser Zuhause nie vergessen können, müssen wir auch Weihnachten feiern. Wie denn auch! Wie anders auch als früher, wie anders auch als sonst, es gibt – tief in uns – ein aufrichtiges Verlangen um Weihnachten als ein Zuhause zu feiern. Um uns mit Weihnachten ein Zuhause zu schaffen. Am liebsten mit anderen zusammen, so wie es zu Hause war. Und wir wissen dann auch wie sehr wir den anderen vermissen, die es jetzt nicht mehr gibt; die selbstverständlich da waren, als wir Weihnachten feierten, zu Hause.

Es geht uns nicht so schlimm wie in der Geschichte die Herta Müller erzählt. Aber wir messen manchmal die Situationen worin wir leben ab an was ausbleibt, was nicht mehr möglich ist, und vergrössern das auch, vielleicht ein bisschen zu viel. Vielleicht wird es dann wichtig um zu bedenken was uns übrig bleibt: was uns übrig bleibt um zu tun; um aufrecht zu behalten was uns je gegeben wurde und uns wichtig war; um eine Gemeinschaft zu stiften die noch weiss von dem was uns je erzählt wurde und uns wichtig war; um die Hoffnung zu bewahren die uns je gegeben wurde.

Zu den Geschichten von zu Hause gehört vielleicht auch die Weihnachtsgeschichte selber. Auch die kann beim Kneten der Brotkugeln erzählt werden! Oder bei andere Vorbereitungen auf das hohe Fest, oder beim Fest selber. So wie hier in der Kirche, wo wir dennoch bei einander sein können. Und wenn wir dann diese Geschichte jetzt hören und lesen, dann ist es wichtig um zu bedenken dass es hier vor allem um das Verlangen geht. Das Verlangen von Menschen, nach so etwas wie die Anwesenheit Gottes in unserer Welt, in unserem Leben. Das Verlangen von Menschen nach ein bisschen Licht in unserer Finsternis; nach ein bisschen Wärme in unserer Kälte.

Dieses Verlangen wird vielleicht am verständlichsten ausgedruckt in das Hören, Suchen und Finden der Hirten. Sie haben Engel gesehen und gehört, haben sie später erzählt, nicht als Bekannten von früher, nicht als Fremden die dennoch verständlich waren, sondern als Engel, Boten von Gott (haben sie verstanden), die sie aus der Ruhe der Nachtwache geholt haben und sie unterwegs geschickt haben. Um ein Kind zu suchen! Ein Kind als ein Versprechen Gottes: ein Versprechen von seiner Anwesenheit in der Nacht, von seiner Anwesenheit in die Geschichte von Menschen. Ein Kind, in seiner Armut, in seiner Verletzbarkeit, in seiner Schlichtheit. Und die Hirten sind unterwegs gegangen, so wie später die Weisen aus dem Osten, die Könige, auf ihren langen Weg gegangen sind. Um zu suchen, um zu finden.

Wo Menschen suchen, gibt es so etwas wie ein Verlangen um zu finden. Suchen ist etwas ganz anderes als wissen wie es früher war; ist anders als denken wie es sich gehört; als zufrieden sein mit allem was uns schon gegeben ist. Suchen ist Ausdruck eines Verlangen um etwas neues zu erfahren, etwas neues in unserem Leben, etwas neues in unseren Verbindungen mit Menschen, etwas neues in unserm Beziehung auch zu Gott. Wir brauchen nicht zufrieden zu sein mit was wir schon von Ihm erfahren haben, gehört haben, von Ihm denken zu wissen. Weihnachten kann, auch für uns, so etwas wie die Ermutigung sein um auf eine neue Weise, in den Umstände von heute, nach Ihn zu suchen. Vielleicht wie nach einem Kind in der Krippe. In aller Verletzbarkeit, in aller Schlichtheit. Einfach weil wir auf dem Weg geschickt sind, weg von unserem zu Hause, aber mit allem was wir sind und haben.

Vielleicht aber zögern wir um alle Vertrautheit, um die Ruhe der Nachtwache, zu verlassen, und zu suchen nach dem was Gott uns jetzt zeigt. In einem Kind, in einem Mensch, in einer neue Situation wohin Gott uns ruft. Vielleicht ist dann die Bereitschaft um zu hören auf das was auf uns zu kommt, das wichtigste was uns die Weihnachtsgeschichte dann sagt. Um genau darin zu erfahren, wie nah uns Gott ist.

An unsere Vergeblichkeit, an unserer Hoffnungslosigkeit vorbei, an allem nicht-gesucht und nicht gefunden-haben vorbei, dennoch erfahren dass Gott zu uns gekommen ist und uns gefunden hat. Um uns seine Liebe zu zeigen, und um uns aufzufordern unserseits diese Liebe zu zeigen. Auch in den Umstände worin wir jetzt leben. Um in alle Verletzbarkeit der neuen Einschränkungen zu suchen nach neue Äusserungen von Liebe. Um zu bedenken was wirklich wichtig ist, in unserem Leben.

In dem Glauben dass Er auf uns zukommt.

Wenn wir uns finden lassen.

Amen.

Gebet:

Lieber Gott,

wir leben in eine Welt worin es so viele kranke Menschen gibt,

soviel mehr als sonst,

wo so viele Menschen bedroht sind von dieser wuchernde Krankheit,

sich davon so beängstigt fühlen,

so bedrückt von allen Massnahmen die genommen werden,

sich so in einem Wirbel von Richtungslosigkeit denken zu befinden,

dass sie kaum mehr wissen was wirklich wichtig ist, was wirklich heilig ist,

wofür wir alle, die noch leben, auch wirklich leben wollen.

Wir bitten dich für alle Menschen die durch die Pandemie gestorben sind,

für alle Kranken bitten wir, die um ihr Leben fürchten,

für alle Krankenschwester, alle Krankenbrüder bitten wir

die jetzt sosehr an ihre Arbeit leiden,

die sie dennoch mit soviel Liebe machen;

für alle Ärzte bitten wir, die jetzt auf eine neue Weise

erfinden müssen was sie am besten tun können,

für die Politiker bitten wir, die jetzt vielleicht erst sehen

wie sie Verantwortung auch tragen für Leben und für Tod

von Menschen die sich ihnen anvertrauen.

Wir bitten dich für sie,

wir bitten dich für uns,

wir bitten dich für Menschen, die Weihnachten

auch jetzt noch feiern wollen als ein Fest der Freude,

dass du bei uns, bei Menschen bist,

in unserem Verlangen auch, dass wir es gut haben, zusammen,

in Harmonie zusammenleben mit einander;

dass es auch zwischen den Völkern Frieden gibt,

in Offenheit für was so anders ist,

in Liebe für die Menschen die du auf unsere Wege schickst,

in Dankbarkeit an dich, der bei uns bist,

als unser Gott.

“Onze Vader…”

Amen.