Gottesdienst Gründonnerstag 2019
Bibellesungen:
Philippe 2: 5 – 11.
Johannes 19: 23 – 28.
Gebet:
Lieber Gott,
auch heute sind wir bei einander gekommen
um deinen Weg durchs Leben zu gedenken,
wie du als Mensch unter uns gelebt hast,
uns gezeigt hast, wie das Leben wirklich sein kann
wenn Menschen von der Liebe wissen
mit der du uns von Anfang an geliebt hast;
wir gedenken ihn, der immer versucht hat
deine Liebe zu uns zu verwirklichen,
deine Nähe zu uns in sein Leben zu zeigen,
auch wo diese von Menschen verneint wurde,
auch wo Menschen in Gleichgültigkeit und Hass verharren,
wo die Zukunft von Menschen vernichtet wird;
wir gedenken ihn, der in Worten und Gesten gezeigt hat
wie nah wir einander sein können, als ein Zeichen deiner Nähe,
wie reich das Leben mit einander sein kann
wenn wir uns stellen in dein Licht,
wie hoffnungsvoll wir alle sein können
wenn wir vertrauen auf dein Wort,
dein Wort das Fleisch geworden ist, unter uns;
wir gedenken ihn, der dir treu geblieben ist in seinem Leben,
bis zu seinem frühen Ende,
der im Abschied seiner Jünger uns die Worte,
uns die Gesten mitgegeben hat,
mit wem wir unsere Treue zeigen können,
mit wem wir uns mit ihm verbunden wissen;
die uns helfen Mensch von ihm zu sein
in unserem Leben, mit unseren Menschen,
in unserer Welt, die deine Liebe sosehr braucht.
Amen.
Predigt:
Wie nah kann man sein, bei dem Leiden eines anderen Menschen?
Wie nah kann man sein, bei der Passion Jesu?
Wie war das damals, für die Jünger? Wie kann das heute für uns sein?
Fragen wie diese können bei uns aufkommen, wenn wir im Evangelium nach Johannes lesen, dass, nachdem er gekreuzigt war, und die Soldaten auch noch seine Kleider von ihm genommen und unter sich verteilt haben, seine Mutter, noch einige andere Frauen, und der Jünger den er liebte, bei dem Kreuz standen. Bei dem Kreuz. So schreibt Johannes das. Wir können das leicht überlesen, weil es in diesem beladenen Text so vieles gibt, dass um unsere Aufmerksamkeit fragt. Aber auch dieses ist äusserst wichtig, denke ich, dass sie beim Kreuz standen. Dass sie einander nah waren, und dass er noch einige Worte zu ihnen gesagt hat. Fast die letzte Worte seines Lebens. Diese Nähe, die Johannes beschreibt, ist darum so auffällig, weil es in den anderen Evangelien so ganz anders beschrieben wird. Um nur ein Beispiel zu nennen: im Evangelium nach Lukas wird genau dasselbe Moment beim Kreuz so beschrieben:
“Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung (vom Kreuz), auch die Frauen, die ihm seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt waren und die alles mit ansahen.”
Über den Jüngern, oder einer von ihnen, wird hier gar nicht gesprochen.
Wie wichtig ist dieses Unterschied zwischen den verschiedenen Evangelien?
Was könnte dieses Unterschied für uns jetzt bedeuten?
Wenn im Evangelium nach Lukas die Entfernung nachdrücklich hervorgehoben wird, dann können wir diese verstehen als eine Massnahme der Obrigkeit um Menschen von der Hinrichtung auf Abstand zu halten. Auch Angehörigen und Bekannten. Um Unruhe zu vermeiden, um Gefahr für Aufstand im voraus aus dem Wege zu gehen. Die Menschen die Jesus liebten, konnten einfach nicht mehr in seiner Nähe treten, der Weg dazu wurde ihnen versperrt. Ihre Trauer über alles was ihn passierte, konnten sie nicht mehr mit ihm teilen, er war ihnen weggenommen. Nur unter sich konnten sie versuchen Worte für ihre Trauer zu finden; und Gesten, um ihn zu gedenken.
Im Evangelium nach Johannes ist das anders. Er versucht nicht so sehr die historische Situation zu schildern, die zu dem Tod Jesu geführt hat, und sein Sterben selbst, sondern er versucht vor allem die Bedeutung von allem was damals passiert ist, für seine eigene Gemeinde, für die Menschen aus seinem Kreis zu schildern. Und offenbar hat die Entfernung, die Lukas (und die andere Evangelisten) nennen, ihn gestört, oder nicht passend gefunden. Er hebt die Nähe hervor, die, auch dann noch, in diesem letzten Moment, zwischen Jesus und seine Angehörigen, seine Freunde, besteht, oder bleibt bestehen.
Um genau diese Nähe verstehen zu können, müssen wir noch etwas anderes nennen.
Es gibt, bei diesem Abschied vor dem Sterben, auch bei dieser Nähe noch, eine auffallende Einzelheit: einige Namen der Beteiligten werden weggelassen. Es gibt eine auffällige Namenlosigkeit: der Name seiner Mutter wird nicht genannt, sie wird nur “seine Mutter” genannt; und der Name des einzigen Jünger der hier anwesend ist, wird auch nicht genannt. Er wird nur mit den besonderen Worten angedeutet: “der Jünger den er liebte”. Wer dieser war, ist immer ein Geheimnis geblieben. Er wird nur im Evangelium nach Johannes genannt, in der Geschichte der frühen Kirche schon mit dem Autor des Evangelium nach Johannes identifiziert, als den bevorzugten Jünger, aber historisch gesprochen ist das nicht so sicher. Natürlich hat es viele Spekulationen darüber gegeben, und viele Theorien. Am liebsten ist mir die Gedanke, dass es hier geht um den späteren, den idealen Jünger, für wen das Evangelium geschrieben wurde, und – noch wichtiger – für wen die Botschaft Jesu bestimmt war. Für alle spätere Gemeinden also, für uns also auch. Für alle Menschen also, aus welchen Zeiten auch, die die Botschaft Jesu hören und versuchen zu verstehen; die dadurch bewogen werden. In ihrem Gemüt, in ihrem Handeln.
Genau der, der Jünger den Jesus liebte, genau der wird eine Stelle nah am Kreuz gewahrt. Es ist, als ob auch wir, auf symbolische Weise, dort anwesend sind, und sehen was mit ihm passiert. Als ob, auch wir, bis zu seinem Ende, bei ihm waren, unsere Treue an ihn zeigen konnten. Als der Ausdruck unseres Glaubens, als ein Versprechen auch um seine Botschaft in unserem Leben, in der Welt, weiter auszutragen.
Aber noch etwas anderes kommt dazu. Noch in dieser Situation, fast am Ende seines Lebens, vertraut er seine Mutter und seinen geliebten Jünger an einander zu: “Frau, siehe, dein Sohn!” Und danach: “Siehe, deine Mutter!” Auch diese Worte übersteigen alle Worte, womit in unserer Welt Menschen an einander zugetraut werden. Nicht so sehr eine persönliche Sorge, oder eine Verantwortlichkeit für einander, werden hier beiden zugesprochen. Vielmehr geht es darum, dass eine lange Geschichte, die Geschichte Israels, und eine unendliche Zukunft, die unsrige, mit einander verbunden werden. Sie gehören weiter zusammen. In die Verbindung dieser beide Personen wird so etwas wie die ganze Heilsgeschichte sichtbar; ausgesprochen vom dem Gekreuzigte selbst. Als die Verbindung unserer Vorgeschichte mit Gott, und unsere Zukunft mit Gott; bewirkt durch den Gekreuzigten selbst. Der uns auf einander verweist. Damit wir wissen von einer neuen Mutter, Israel; damit die leibliche Mutter weiss von neuen Söhne, und Töchter; von ihren neuen Kinder, damit sie, damit wir, das Leben und die Botschaft ihrer Sohn weiterführen.
Und, schreibt Johannes, er tut das auch, dieser von Jesus geliebten Jünger: “von dieser Stunde an nahm sie der Jünger zu sich”.
Er ist damit der erste von uns allen: der die Wille tut unseres Herrn.
Der vollbringt wozu er gerufen wurde.
Der die Liebe weiterführt in unserer Welt, womit wir selber geliebt werden.
Amen
Gebet:
Lieber Gott,
an diesem Abend, worauf wir ihn gedenken,
der, als dein Bild, als ein Mensch von dir,
durch unsere Welt gezogen ist,
als unser Beispiel von Aufmerksamkeit und Nächstenliebe,
als ein Bote deines Lichts für uns, für unsere Welt,
der deshalb geliebt wurde von Menschen,
aber auch gefürchtet von Menschen, die das Licht nicht ertragen konnten,
und ihn vernichtet haben, aus dem Weg geräumt, –
wir bitten dich an diesem Abend für all die Menschen,
die auf irgendeine Weise bedroht und vernichtet werden,
die mit Hass begegnet werden,
weil sie anders aussehen, anders denken,
andere Auffassungen haben über die wichtigste Dinge des Lebens.
Wir bitten dich
dass wir immer besser imstande sind um zu verstehen
wie wir einander wirklich nah sein können,
auch wenn das Leben schwierig wird,
und wir nah am Leiden anderer stehen;
auch wenn das Leben glücklich ist und fröhlich,
und wir die Freude anderer teilen können.
Gib dass wir immer besser imstande sind
um uns in anderen zu versetzen,
um zu verstehen was sie kümmert, was sie denken;
verleih uns auch die Gabe um uns selber relativieren zu können,
um weniger absolut nu nehmen was wir denken,
damit wir offen stehen können für dasjenige
was die Liebe zwischen Menschen befördert,
was uns wirklich zusammenbringt.
Bleibe bei uns, Gott, mit deiner Liebe,
mach’ uns zu einem Mensch von dir.
“Onze Vader…”
Amen.