Gottesdienst 30. Juni 2019

mit Taufe

Bibellesungen:
Psalm 121.
Apostelgeschichte 8: 26 – 40.

Gebet:
Lieber Gott,
wir brauchen deine Hilfe, deinen Segen, noch immer,
in unserem Leben, mit den Menschen um uns herum,
mit den Gefahren die es gibt,
die das Glück zerstören können, das uns im Leben zugefallen ist,
das uns so kostbar ist, uns soviel Freude macht.
Sei bei uns, Gott, auf die Momente, wenn wir voller Sorgen sind,
sei bei uns auch, wenn wir sorglos, unbekümmert sind,
und nur noch sehen was uns Freude macht;
sei bei uns, Gott, in unserem Leben,
im Leben auch derjenigen, die du uns anvertraut hast.
Sei du bei uns, wenn wir zuhause sind,
und einfach glücklich, mit dem was du uns gegeben hast;
sei bei uns, wenn wir unterwegs sind, auf eine Reise
die uns zu etwas bringt, wovon wir fast nie wissen
was sie jetzt bringen will, was die Gefahren sind, die Freuden;
bewahre uns mit deinem Segen, bringe uns wieder heil zu Hause.
Sei bei uns auch, wenn wir versuchen
bei dir zu sein, in unserem Leben,
in unseren Gebete, wenn wir versuchen Klarheit zu gewinnen
über die grosse Fragen unseres Lebens,
was das – vor dich – am besten sein kann;
in unseren Gottesdienste auch, so wie heute,
wenn wir ein Kind in deinen Namen taufen mögen,
und mit einander nachdenken, wie du auch bei uns bist;
sei bei uns auch, wenn wir einander lieben,
– wie es uns auch gegeben ist zu lieben, –
bewahr in uns das grosse das wir lieben,
was uns verbindet auch mit deiner Liebe,
damit wir deine Menschen sind
in unserer Welt.
Amen.

Taufe:
Liebe Taufeltern, Sarah und Arne,

Heute seid ihr zu unserer Kirche gekommen um ihr Sohn Lenne ‘über die Taufe zu halten’, wie es so schön heisst in der deutsche Sprache. Das ist ein wichtiges Moment, für ihr beide, für Lenne selbst, und für unsere Gemeinde. Die Taufe wird nicht umsonst ein Sakrament genannt, eins der wenige die wir in den protestantischen Kirchen kennen. Ein Sakrament ist eine Verbindung von Worte (heilige Worte) und eine Handlung, eine Tat. Hier in der Form von ein bisschen Wasser, das auf dem Haupt eines Menschen gelegt wird, verbunden mit den alten Worten, worin die Namen des dreieinigen Gottes angerufen werden. Es ist ein wichtiges, vielleicht eben ein heiliges Moment im Leben eines Menschen, wie jung oder wie alt er (oder sie) auch ist.
Das Wasser, übrigens, habt ihr selber aus der Treene geschöpft. Die Treene is wichtig für euch; eure Hochzeit spielte sich dort (zum Teil) ab; ihr wohnt ganz nah.
Für unsere Gäste möchte ich gerne hinzufügen, dass diese unsere Stadt zwar Friedrichstadt an der Einer heisst, aber auch an der Treene liegt, die vielleicht viel beliebter ist: darin wird gebadet, geschwommen, geangelt; drauf wird gerudert und gesegelt. Und jetzt auch Wasser geschöpft für die Taufe!
Es kann viel Segen darin liegen. Als wir, vor einige Zeit, mit einander über diese Taufe gesprochen haben, war das für euch das wichtigste: die Taufe als Segen. Als eine Bitte an Gott, um mit seinem Segen, mit der Kraft die wir von ihm erfahren, und von ihm erhoffen, bei diesem Kind zu sein, und zu bleiben. Bei euerem Sohn, wie verletzlich und wie kraftvoll er auch in seinem Leben sein mag. Um ihn auf seinem Lebensweg zu begleiten, in der Hoffnung dass er von ihm weiss, von ihm in seinem Leben inspiriert wird, und von ihm behütet wird. Damit er ein guter Mensch sein wird, von Gott und den Menschen geliebt.
Vielleicht ist es gut um es heute nicht nur bei Worte und Wasser zu lassen, aber auch, als eine Erinnerung an dieser Taufe von Lenne, diese in ein sichtbares Bild zusammen zufassen.
Vor kurzem war ich auf eine Reise, weit weg, in Armenien, in einem Kloster am Fuss der Ararat, der Berg, wo (laut der biblische Geschichte) Noach mit seinem Arche strandete: wo er wieder Grund unter den Füssen bekam. Er hatte eine Taube ausgesandt um das zu bestätigen. Innerhalb des Klosters nun, an einem Mauer des Hofes, gab es einen Brunnen, mit ein bisschen Wasser, und darüber ist nicht eins, sondern sind zwei schwebende Tauben abgebildet. Vielleicht ist das einerseits ein Verweis zur Taufe, zum Beispiel die Taufe von Jesus, wo eine Taube über seinem Haupt schwebt, als eine Andeutung des Heiligen Geistes. Aber hier, im Kloster, beim Brunnen, gab es eben zwei Tauben, ohne Zweifel auch anderseits ein Verweis zu der Liebe von Menschen zu einander. So wird, in diesem einem Bild, die Liebe von Menschen zu einander, die Taufe, und der Heilige Geist mit einander verbunden. Als eine Andeutung dessen, womit ihr Sohn heute (um sozusagen) ausgerüstet wird: mit dem Segen Gottes und mit der Liebe seiner Eltern. Mit dem was schon immer da war, worin sein Ursprung liegt, womit Gott sich verbindet, und uns die Kraft zu einem liebevollen Leben gibt.
Möge Gott so bei ihm bleiben, im Wissen seines Geistes.
Ein Photo dieses besonderen Brunnen möchte ich euch gerne mitgeben.

Verantwortung der Taufe:
In der Taufe feiern wir das Leben
das wir uns von Gott gegeben wissen;
das wir als ein Geheimnis erfahren
das uns mit Verwunderung und Ehrfurcht erfüllt,
das wir in seiner Reinheit betrachten
und uns ermutigt diese auch weiter zu bewahren.
Wir verbinden den Namen dieses Kindes
mit den uns vertrauten Namen von Gott:
als der Vater, der uns als seine Kinder betrachtet
und auf unsere Eigenheit hofft;
als der Sohn, der uns zeigte was Liebe vermag
zur Begegnung von Menschen, zur Dienst an der Welt;
als der Heilige Geist, der uns den Mut und die Kraft gibt
um erneuert zu werden, von Gott und Menschen inspiriert
um in seinem Namen zu leben.
Wir taufen mit Wasser, als ein Zeichen der Reinheit
in der wir das Leben von Gott empfangen,
als eine Bitte auch, diese Reinheit bewahren zu können
in allem was uns im Leben begegnet;
in der Hoffnung auch anderen in diesem Zeichen erkennen zu können
als Kinder Gottes, wo auch in der Welt;
als ein Zeichen auch von Vergebung und Erneuerung,
womit wir als neue Menschen erscheinen
vor unseren Nächsten, und vor Gott.

Predigt:
Was können wir am besten von unseren Kindern erwarten?
Und, die umgekehrte Frage: wie können Kindern am besten umgehen mit den Erwartungen ihrer Eltern? Wie können wir zusammen am besten leben?
Das sind ungefähr die Fragen womit wir uns heute beschäftigen.
Zur Einführung möchte ich gerne einige Sätze vorlesen aus einem Brief des jungen (und später berühmt gewordenen) Schriftstellers Gotthold Ephraim Lessing, mit wem wir uns, in unserer Gemeinde, schon öfter beschäftigt haben.
Zwei Tagen vor seinem zwanzigsten Geburtstag, am ’20 Jenner 1749’, schreibt er, von Berlin aus, wo er seit kurzem wohnt, seiner Mutter einen langen Brief, eine Art Zusammenfassung seines Lebens bis dann. Er weiss ganz genau wie gross die Sorgen seiner Eltern waren über ihn, und was sie alles für ihn getan haben, um ihn auf die rechte Spur zu bringen, oder zu halten. Er weiss aber auch, wie ernsthaft (und wie fröhlich manchmal) er seinen eigenen Weg im Leben gesucht hat. Angefangen in Leipzig, mit der Theologie (sein Vater war selber Pastor), später gewechselt zur Medizin, sehr kurz, in Wittenberg, mit einem grossen Hang zum Theater, viele Schulden gemacht (die von seinen Eltern beglichen wurden), viele Freunden auch, mit wem er das Leben entdeckte, und genoss. Über das alles schreibt er seiner Mutter, ehrlich, und fest beschlossen auf eigene Beine sein Leben zu gestalten. In Berlin, damals noch nicht so gross wie heute, aber auch sehr interessant, mit besonderen Menschen, und viele Verlockungen das Leben anders zu gestalten als die Eltern hoffen. Wenn er dann seinen eigenen Weg bis dann beschreibt, legt er grossen Wert auf seinen ernsthaften Seite, auf seiner Zurückgezogenheit, womit er angefangen hat. Er schreibt: “Stets bey den Büchern, nur mit mir selbst beschäftigt, dachte ich eben so selten an die übrigen Menschen, als vielleicht an Gott.” Das aber ändert sich, wenn, wie er schreibt, “ihn die Augen auf gingen”.
“Ich lernte einsehen, die Bücher wurden mir wohl gelehrt, aber nimmermehr zu einem Menschen machen.” Und dann, wenn er sich unter den Menschen begibt, sich selbst in seiner Schüchternheit entdeckt, und beschliesst sich selber su bessern, – wenn er tanzen, fechten, voltigieren lernt, und entdeckt wie gut ihn das abgeht, schreibt er:
“Dieser gute Anfang ermunterte mich heftig. Mein Körper war ein wenig geschickter geworden, und ich suchte Gesellschaft, um nun auch leben zu lernen.”
Vielleicht sind diese Worte, die Lessing vor so langer Zeit geschrieben hat, noch immer gut erkennbar. Erkennbar für Eltern die ihre Kindern (auf einem guten oder schlechten Moment) aus ihrem Haus ziehen sehen, sie los lassen müssen, hoffen dass sie selbständig genug sind um dem Leben gewachsen zu sein; hoffen auch dass ihre Verbindung mit einander stark genug ist um auch bei grössere Distanz die je erfahrene Liebe weiter zu entwickeln. Erkennbar für Kindern auch, die bei allem was schon gegeben wurde, was schon erwartet wurde, bei alle wirkliche Dankbarkeit für alles gute das schon gegeben wurde, aber auch bei allem Suchen nach einer eigene Ausfüllung der eigenen Kapazitäten und Möglichkeiten, ernsthaft und (hoffentlich) voller Freude suchen nach dem was sie einfach im Leben tun müssen. Wie sie (um mit Lessing zu reden) “lernen zu leben”.
Vielleicht geht es auch darum in der Geschichte die wir heute aus der Bibel gelesen haben: um zu lernen zu leben. Diese Geschichte ist letztendlich eine Taufgeschichte : wie ein Mensch, unerwartet für ihn selbst, zur Taufe verlangen kann; diese Taufe also so wichtig findet dass er diese jetzt, ohne Aufschub, an sich vollziehen lassen mag. “Was steht meine Taufe noch im Weg?” fragt er, an dem Mann den er erst vor kurzem begegnet hatte, dem Apostel Philippus. Und sie steigen beide zum Fluss hinab, und der Mann wird getauft.
Was diese Geschichte so besonders macht, sind vor allem die Umstände, worin diese Taufe stattfindet: wer der Mann war, der hier getauft wird; wer der Mann war, der hier das Gespräch gesucht hat, und die ‘Bekehrung’ eigentlich eingeleitet hat; und wie das alles zustande kam. Um mit ihm, Philippus, anzufangen: er wird durch einen Engel des Herrn angespornt, wird gesagt, um sich auf den Weg zu begeben; um später geleitet durch den heiligen Geist wieder zu verschwinden, wird am Ende der Geschichte gesagt; auf jeden Fall ist diese Taufe (und vielleicht jede Taufe) eingesponnen zwischen den Entscheidungen von Menschen (ihr Verlangen vielleicht) und so etwas wie eine Hinwendung von Gott zu uns: durch einen Engel zum Beispiel, durch den Heiligen Geist; beide Redewendungen die versuchen das fast Unverständliche des göttlichen Geheimnisses dennoch verständlich zu machen.
Es ist ausserordentlich wichtig hier etwas über den Mann zu sagen, der hier getauft wird. Ein Äthiopier, wird gesagt, ein Kämmerer, ein Hofbeamter der Kandake, der Königin-Mutter von Äthiopie, der ihren ganzen Schatz verwaltete. Damit wird schon viel gesagt, und viel nicht gesagt. Von altersher gab es viele Verbindungen zwischen Äthiopien und Jerusalem, wie zum Beispiel die Geschichte der Königin von Saba beweist, die den weisen König Salomon besuchte, um von ihm zu lernen. Vielleicht ist auch dieser Kämmerer deshalb nach Jerusalem gekommen, um eine vermutete Weisheit zu finden. Vielleicht auch um den Gott zu anbeten, der zwar nicht dort seinen Wohnsitz hatte, aber dennoch in sein Heiligtum immer anbetet wurde. Vielleicht hoffte er dort inspiriert zu werden, für sein weiteres Leben ein neues Fundament zu finden, worauf er wirklich weiter bauen konnte. Er muss seine Pilgerfahrt nach Jerusalem gründlich gemacht haben, und hat dort auch, Zufall oder nicht, eine Rolle des Buches Jesaja gekauft. Um es auf die Heimreise zu lesen; vielleicht zu Hause auch; als eine Erinnerung an diese Pilgerfahrt, als eine bleibende Inspiration, eine Beruhigung für sein Leben. Das alles wird gesagt.
Was nicht mit soviel Worte gesagt wird, – nicht in den meisten Übersetzungen, – das ist das dieser Beamter ein Eunuch ist, (im Griechischen steht tatsächlich dieses Wort!), ein kastrierter Mann, was notwendig war in seinem prekärem Beruf. Man muss das wissen, um die Tiefe dieser Geschichte verstehen zu können. Eben dadurch das er ein Eunuch war, war er (laut dem Gesetz) ausgeschlossen aus der Gemeinschaft Israels: wie sehr er sich auch dazu angezogen fühlte, wie gerne er sich auch angeschlossen hatte zu dieser Gemeinschaft, wieviel Mühe er sich auch dafür gegeben hatte, diese lange Reise zum Beispiel, – er muss irgendwie gewusst haben, dass er nie vollkommen akzeptiert wurde, immer ein Aussenseiter bleiben wurde.
Aber dennoch liest er seinen Bibel, auf die Heimreise, wenn Philippus ihn begegnet. Und seine erste Frage lautet: “Verstehst du auch was du liest?”
Das ist natürlich eine berühmte Frage geworden. Eine Frage die wir uns immer stellen können, wenn wir lesen: ob wir wirklich verstehen was dort steht, im Buch das wir lesen. Hier aber geht es um noch etwas anderes: es geht um die Frage ob er die Tragweite versteht dessen, was er gerade in diesem Moment liest.
Was der Kämmerer liest, in diesem Moment, das sind Sätze aus den sogenannten Lieder des leidenden Knecht des Herren, aus dem Buch Jesajas. Darin wird eigentlich ein Bild des kommenden Messias beschrieben, das für viele Menschen schockierend war. Worin beschrieben wird wie Gott genau bei den Menschen die schrecklich leiden in ihrem Leben, von Krankheiten angetastet, von Menschen erniedrigt,- wie Gott genau da anwesend ist. Es war das auch für Israel schockierende Bild eines Gottes, der nicht anwesend ist in den Unterscheidungen von Menschen, die wir manchmal zu leichtfertig machen, sondern genau in dem was unsere Unterscheidungen untergräbt. Oder übersteigt. Nicht in den Gegensatz zwischen uns und anderen; nicht in den Gegensatz zwischen erfolgreich und misslungen; nicht in den Unterschied zwischen eigen und fremd. Gott ist genau dort anwesend, wo Menschen verstümmelt sind und erniedrigt. So liest der Kämmerer hier den Satz “In der Erniedrigung wurde seine Verurteilung aufgehoben”.
Versteht er was er liest? Versteht er den fast unglaublichen, und fast an ihn selbst gerichteten Aufruf Gottes, dass er bei ihm, bei Gott, völlig akzeptabel is? Er kann es kaum glauben; versteht es tatsächlich nicht wenn er danach gefragt wird, und lädt Philippus in seinem Wagen ein, um ihm diese Worte zu erklären. Und das macht dieser auch, er geht seinen Weg mit dem Mann aus Äthiopien, erklärt den Weg auch von Jesaja zu Jesus, um klar zu machen wie auf diesen Wege Gott dort auftaucht, wo Menschen ihn am meisten brauchen, in ihrer Aussichtslosigkeit, in ihrer Erniedrigung, in ihrer Hoffnungslosigkeit. Mit der Ermutigung auch das gleiche zu tun!
Während dieser Unterhaltung hat der Kämmerer dann auch sein eigenes Leben verstanden: ausgehend von dem Buch das er liest, und über das Buch hinaus verwiesen ins Leben: in ein neues Leben, von Gott akzeptiert, von Gott gerechtfertigt, wissend dass er ein gleichwertiges Unterteil ist seiner Gemeinschaft.
Deshalb will er auch getauft werden. Weil er weiss, verstanden hat, dass die Taufe so etwas wie die weiteste Kreis der Menschen ist, die das Zeichen der ungestörte Gemeinschaft mit Gott empfangen haben und bewahren. Im Bewusstsein das wir zu ihm gehören, ohne Unterschied, um den Weg unseres Lebens zu gehen, unter Gottes Segen, und mit der Liebe von Menschen.
Amen.