Gottesdienst 28 Oktober 2018

Bibellesungen:

Psalm 23.

Genesis 1: 31 – 2: 4a.

Markus 2: 23 – 28

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wie gerne würden wir die alte Worte beistimmen,

die wir eben gelesen haben, die wir schon so lange kennen,

und uns so oft wie ein Beispiel vor Augen traten

wie ein Mensch seine Ruhe im Leben findet,

wenn für alles gesorgt ist was wir brauchen,

wenn das notwendigste da ist, am Essen und Trinken,

wenn wir uns sicher wissen im Leben,

in der Obhut eines anderen Menschen,

von vertrauten Menschen umgeben,

nicht von Anderen angefeindet,

oder verunsichert in unserem Dasein, –

dann könnte auch in unserem Leben eine Ruhe hereinbrechen

die so wohltuend ist für uns, so etwas wie Frieden gibt,

ein Wissen, dass das Leben gut ist, von uns,

mit all den Menschen die uns umringen.

Wir wissen aber auch, dass wir so oft

so weit davon entfernt sind um diese Ruhe

auch in unserem Leben wiederzufinden.

Wir hören nicht auf beunruhigt zu sein,

von soviel Sorgen die uns kümmern,

wir können es manchmal nicht lassen

um immer aufs neue fasziniert zu sein von dem

was wir nicht kennen, nicht haben, nicht loslassen können,

und als ein neues Ziel im Leben erfahren.

Wir bitten dich, Gott, sei du unser Hirt,

der uns zur Ruhe führt, zu einem Wissen

dass uns das Leben reicht, wie du es uns gegeben,

dass es uns gut erscheint, in allem was wir tun,

in soviel das uns ist gegeben, mit soviel Menschen auch

die uns umringen, mit ihrer Liebe, mit ihren Freuden auch,

die wir gemeinsam teilen mögen.

Sei du bei uns allen, Gott, mit deiner Liebe.

Amen.

 

 

Predigt:

 

 

Was könnte Ruhe für uns bedeuten? Über diese Frage geht es heute in unserem Gottesdienst. Vielleicht verlangen wir danach um ein bisschen Ruhe in unserem Leben zu verwirklichen, in unserem hektischen Dasein, mit allem was es täglich gibt, an Aktivitäten, Verpflichtungen, Freuden und Lasten die wir auf uns genommen haben. Vielleicht auch wissen wir kaum mehr was es ist, Ruhe, wirklich Ruhe; wissen wir kaum mehr wie heilsam das sein kann, wie wir diese realisieren können, wie wir uns lossagen können von so viel das uns sosehr beschäftigt. Auch wenn wir uns erinnern, dass es gute Momente von Ruhe je gegeben hat in unserem Leben, wie als ein Geschenk von aussen. So wie Goethe das je erfahren hatte, in einer einsamen Berghütte, Ruhe über alle Gipfel. Er war noch jung als er diese Erfahrung ‘entdeckte’, erlebte, aber diese Erfahrung hat ihn zeitlebens weiter begleitet, bis er als alter Mann dieselbe Stelle wieder aufsuchte, und bestätigt fand was er damals erlebt hatte. Als ein wichtiges, aber auch seltsames Moment, das (um sozusagen) Leben und Tod umfasst, und eine bleibende Inspiration ist: ein Moment wo man wirklich bei sich selber ist. Können wir so etwas in unserem eigenen Leben wiederholen?

Im alten Israel hat man diese Frage gestellt in der Form des Sabbats, die teils ein wöchentlicher Tag von Ruhe war, aber auch ein Tag, wo man Gott für sein Leben, und für seine Schöpfung dankte. Man glaubte ein Vorbild an Gott zu nehmen, der bei seiner Schöpfung sechs Tage gearbeitet hatte, und “am siebten Tag ruhte, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte”, wie in der Schöpfungsgeschichte steht. “Und Gott segnete den siebten Tag, und erklärte ihn für heilig”, wird dann dabei gesagt.

‘Heilig’ meint ‘unantastbar’, etwas woran man nicht rühren darf; das man nicht abschaffen kann, ohne etwas wesentliches zu verlieren. Das galt für den Sabbat, schon im praktischen Sinne des Wortes. Wir müssen uns vorstellen, dass schon in Ägypten, wo die Israeliten als Sklaven arbeiteten, alle Tage der Woche (sosehr dass man die Woche nicht mehr als Woche, ein Monat nicht mehr als Monat erlebte, sondern alle Tage die gleiche Arbeitstage waren, das ganze Leben hindurch), – dass es eine Art Weltrevolution bedeutete, um einen Tag pro Woche frei zu haben. Von der Arbeit frei! Man musste sich wirklich wie Gott gefühlt haben, der nach getaner Arbeit  ausruhte, wissend dass es sehr gut war was er geschaffen hatte. Man musste auch wirklich gewusst haben, wie der Sabbat für den Menschen da war, heilsam für das Menschenleben. Und was wir auch im Leben tun, es ist auch für uns wichtig um zu wissen dass es – genau wie bei Gott – einen Zusammenhang gibt zwischen Ruhe und dem Wissen, dass es gut ist was wir taten. So lange wir nicht fertig sind, mit dem was wir uns vorgenommen haben, mit dem was uns aufgetragen wurde, so lange gibt es kaum eine wirkliche Ruhe. Und genau diese Ruhe ist notwendig für das menschliche Leben, wir können eigentlich nicht ohne, sie ist heilig, unantastbar.

Und nicht nur hatte man in Israel diesen Ruhetag, diesen Sabbat, als eine Art Nachfolge Gottes eingestellt, es war auch der Tag wo man ihn dafür lobte, wie er alles in der Welt und im Leben geschaffen hat. Einschliesslich der Ruhe, als ein wesentliches Moment um sich wieder ins Gedächtnis zu bringen, wieviel wir in unserem Leben, und in der ganze Welt (in der ganze Schöpfung) ihm danken. Auch das ist manchmal notwendig um zu tun. Auch das ist vielleicht unantastbar, wir können nicht ohne grosse Schaden in unserem Leben, an unserer Seele, immer weiter treiben was wir durchaus tun, was uns beschäftigt. Wir müssen auch wissen aufzuhören! Das ist eigentlich der Grundbedeutung des Wortes Sabbat: ‘wissen aufzuhören’. Wissend dass es nicht nur heilsam ist, aber auch notwendig, dass wir von Zeit zu Zeit aufhören mit dem was wir treiben, was uns beschäftigt. Auch mit dem was uns beängstigt, und auch mit dem was uns ausserordentlich erfreut. Es ist gut um damit für ein Moment aufzuhören, um einen Schritt zurück zu tun um über unserem Leben nachzudenken. Um einen Schritt beiseite zu tun, um den Weg unseres Lebens zu betrachten. Damit wir die Ruhe nicht verlieren die wir je empfangen haben. Um die Verbindung mit Gott wieder zu gestalten, der uns vorausgeht in allem was er tut, und in seiner Ruhe.

Wir haben heute ein Gespräch gelesen, das Jesus über den Sabbat führt. Es war an sich eines der hunderttausende Gespräche die immer über den Sabbat (und über viele andere Anordnungen des Gesetzes) geführt wurden, den Jahrhunderten hindurch. Was gehört noch zur Ruhe? Was gehört noch zu Arbeit? Kann man das für eins und für immer bestimmen?

Hier, in diesem Fall, war der Anlass dass einige der Jünger bei einer Wanderung am Sabbat den Kornfeldern entlang, einige Halme abgerissen und (vielleicht) die Korne davon gegessen haben. Das wird als eine Arbeit ausgelegt, die also nicht erlaubt ist. Jesus verteidigt seine Jünger: es gibt schlimmere Fälle, zum Beispiel der Fall Davids, als er, auf der Flucht vor König Saul, Hunger hatte, und im Tempel von den heiligen Brote ass, die nur von den Priestern gegessen werden dürften, und diese auch noch zu seinen Freunden gab. Es gibt also Notfälle, die es erlauben um anders zu handeln als das Gesetz vorschreibt. Hunger kann ein Argument sein, und Freundschaft auch. Nicht für alles, aber dennoch, in bestimmte Umstände. Vielleicht gibt es überhaupt keine Regeln für immer. Vielleicht müssen wir immer darüber nachdenken, was gut ist für die Menschen, was am meisten passend.

Wie dem auch sei, Jesus zeigt sich hier in seiner Nachsicht, in seiner Milde für seine Freunde, seine Jüngern. Es wird nicht gesagt dass er selber auch Ähren abgerissen hatte. Vielleicht ist es wichtig, was der jüdische Bibelwissenschaftler David Flusser schreibt, dass es in Galiläa (woher Jesus stammt) andere Auslegungen gegeben hat als in Judea, und dass es dort am Sabbat erlaubt war um am Rand des Ackers Ähren “mit der Hand” nu nehmen und zu essen. Mit der Sichel war Arbeit, mit der Hand nicht.

Vielleicht sind für uns solche Bestimmungen des Gesetzes nicht mehr interessant. Wir halten den Sabbat nicht mehr, und auch den Sonntag ist für uns nicht mehr heilig, in dem Sinne dass wir dann unsere Ruhe versuchen zu verwirklichen, und Gott für seine Schöpfung zu danken. Aber dennoch kann es wichtig sein um zu hören was Jesus hier sagt. Um nicht nur die Milde zu hören, womit er seine Jünger verteidigt, aber auch eine gewisse Klarheit seinen Gegner gegenüber. Man muss das Wichtige vom Unwichtige trennen; den Unterschied machen zwischen dem was die Hauptsache ist, und was die Nebensache ist. Hier in Bezug auf die Frage was wirklich gut ist für die Menschen: bestimmte Regel die vorschreiben was man tun oder lassen muss, oder eine gewisse Freiheit um das Leben zu feiern. Um nicht unnötig streng für sich selbst und anderen zu sein. Um zu geniessen von dem was Gottes Schöpfung uns anbietet. um in Freundschaft, und in Freude, dankbar zu empfangen, was möglich ist im Leben.

Aber auch im Kontext unserer Geschichte von heute heisst das nicht, dass von damals an alles erlaubt war. Abgesehen davon dass sie überhaupt nicht daran gedacht haben, um in einer kompletter Anarchie weiter zu leben, um den Sabbat (und alles wofür dieser stand) und alle Gesetze und Regeln über Bord zu werfen, – auch die Jünger von damals haben versucht die Hauptsache von den Nebensachen zu unterscheiden. Das haben sie gemacht in der Zeit als Jesus bei ihnen war, schlecht und recht, sie haben es auch getan als Jesus sich von ihnen verabschiedet hatte, und sie weiter darüber nachgedacht haben was eigentlich seine Bedeutung für sie war. Und, so wie es uns auch geht, wenn wir weiter nachdenken über bestimmte Personen aus unserem Leben nachdem wir sie begegnet haben, sie haben immer neue Bedeutungen entdeckt an dem was sie früher erlebt haben. Und an diesem Gespräch über den Sabbat haben sie eine besondere Entdeckung gemacht. Es war für sie nicht nur ein Gespräch über die richtige Auslegung des Gesetzes, über den Sabbat, es war auch eine Vertiefung dessen was Jesus für sie bedeutete: er wurde Herr über den Sabbat. So wie es am Schluss unseres Textes gesagt wird: “So ist der Menschensohn Herr über den Sabbat”. Was könnte das bedeuten?

Ich glaube dass das mehr bedeutet als wie es in einer modernen Übersetzung gesagt wird, dass der Menschensohn das Recht hat, den Sabbat zugunsten der Menschen auszulegen. Es geht, denk ich, um mehr als eine spezielle Zuständigkeit von Jesus in Sachen des Sabbats. Als ob er mehr Recht hat um diese Bestimmung auszulegen als anderen, als wir auch. Es könnte sein, dass hier etwas ausgesagt wird über eine Ruhe, eine von Gott gewollte Ruhe, die wir vor allem bei Jesus finden. Als ob das Sein bei ihm, oder das intensive Denken an ihm, schon eine Form von Sabbat sein könnte. Als ob im Glauben in ihm, als in einem uns von Gott geschenkten Mensch, schon eine wirkliche und notwendige Ruhe sein konnte.

Vielleicht haben wir selber, in unserem Leben, je die Erfahrung gemacht, das wir bei einem bestimmten Menschen erst wirklich eine Ruhe finden können, so wie wir diese noch kaum davor im Leben erfahren haben. Das hat vielleicht mit Liebe zu tun, als eine fast notwendige Stille und Ruhe in unserem Leben. Jetzt erst hört alles unruhige Suchen auf, jetzt haben wir gefunden was wir manchmal unbewusst in unserem Leben gesucht haben. Jetzt sind wir wirklich angekommen bei demjenigen (bei derjenigen), der oder die für uns die Ruhe bedeutet. Oder unsere Bestimmung, unseres von Gott gewollte Ziel unseres Lebens.

In diesem Sinne könnte Jesus so etwas wie die Ruhe in unserem Glauben bedeuten, ist er unser Sabbat. So wird er später in der Geschichte des Glaubens manchmal angedeutet, in einem inniges Verhältnis zu ihm, wenn wir, wenn Menschen von damals, unsere Ruhe bei ihm fanden. Als das Ende aller Fragen, als eine Sicherheit die uns erlöst.

Wissen von einem solchen Ruhepunkt in unserem Leben, kann uns eine Kraft geben, die viele Fragen überflüssig macht, und viele Dilemmas leichter lösbar. Ich musste denken an eine alte jüdische Geschichte, die schon lange her von einem Holländischen Rabbiner, de Vries, erzählt wurde, in seinem berühmten Buch “Jüdische Riten und Symbole”. Wenn er über den Sabbat schreibt, erzählt er, in Nachfolge des Talmuds, dass uns, wenn wir am Freitagabend aus der Synagoge zurückkehren nach Hause, nach der Einweihung des Sabbats, zwei Engel begleiten, ein guter Engel und ein böser Engel. Und wenn wir dann zu Hause kommen, und die Sabbatlichter brennen, der Tisch gedeckt, die Sofas bereitet, dann sagt der gute Engel: “ Möge es den nächsten Sabbat wiederum so sein”. Und der böse Engel sagt, gegen sich selbst: “Amen”. Aber wenn es nicht so angetroffen wird, sagt der böse Engel: “ Möge es den nächsten Sabbat wiederum so sein”. Und dann sagt der gute Engel, gegen sich selbst: “Amen”.

Man könnte sagen: wenn wir nach Hause gehen, beim Einzug des Sabbats, ist es gut von diesen beiden Engel zu wissen. Sie schaffen nichts, sie übernehmen unsere Verantwortung nicht, sie kucken nur über unseren Schulter mit, was wir von den Sabbat machen. Und überhaupt von unserem Leben. Ob wir eine von Gott geheiligte Ruhe in unserem Leben verwirklichen. Aber sie geben uns vielleicht die Kraft, um die Ruhe zu bewahren, das Wesentliche von dem Unwichtigen zu trennen, das Gute von dem Bösen, und in einem einfachen Glauben Gott wieder zu finden, und unser eigenes Leben zu leben.

Amen.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wir bitten dich, dass uns die Freiheit wird gegeben

um das Leben in Freude zu feiern,

dass wir wissen wieviel uns ist gegeben

an Gaben, an Möglichkeiten, womit wir verwirklichen können

was uns der Mühe wert, und kostbar ist in unseren Augen;

dass wir wissen wieviel Menschen einfach da sind,

mit ihren Fragen, ihren Sorgen, die oft jemand brauchen

der einfach für sie da ist, wirklich, hilfsbereit,

damit wir alle weiter kommen, im Leben,

wie du es uns gereicht hast.

 

Wir bitten dich, dass uns die Weisheit wird gegeben

um zu wissen was uns Menschen heilig ist, unantastbar,

was wir nicht verlieren mögen in den Umgang mit einander;

dass an Menschen eine Würdigkeit gegeben ist

in dem was wir können, in dem was wir sagen,

in unserem Gefühl für anderen auch,

was sie uns bedeuten, was sie an und für sich sind,

wie sie auch von dir geliebt sind.

 

Wir bitten dich, dass uns die Zartheit wird gegeben

für so etwas wie “die Geheimnisse des Lebens”,

dass wir unterscheiden können zwischen dem was gut ist,

was wir unbedingt im Leben tun müssen,

und dem was böse ist, was nicht passt bei dem

was du auch uns im Leben auferlegt hast,

was wir im Leben einfach tun müssen.

Sei du bei uns allen, Gott, damit wir leben können,

wissend von dir, wissend vom Leben,

wie du es uns allen gereicht hast,

wie wir es am Besten leben können.

“Onze Vader…”.

Amen.