Gottesdienst 28 März 2021

Bibellesungen:
Psalm 118: 22 – 29.
Johannes 12: 12 – 19.

 

Gebet:
Lieber Gott,
auch wir leben unseres Leben
in einer Abwechslung manchmal von Dankbarkeit und Not;
von Dankbarkeit an Menschen, die uns geholfen haben
um das Leben zu bewältigen, um wieder Vertrauen zu gewinnen,
um wieder eine Freude zu entdecken, die uns das Leben, und die Menschen, geniessen tut;
in einem Wissen manchmal auch von Dankbarkeit an dich:
dass du uns Aussicht gibst, auf was genau unser Leben sein kann,
erfüllt von Sinn, mit Menschen beschäftigt,
wissend wer wir einfach sind, was wir tun können.
Es gibt aber auch Momente in unserem Leben,
wo wir ratlos sind, und Hilfe brauchen,
wo es grosse Probleme gibt, und Fragen,
in unserem persönlichen Leben, wo wir manchmal nicht wissen
wie wir uns entscheiden müssen, was wir wirklich tun müssen,
woher unsere Hilfe wirklich kommt.
Wir brauchen dann dringend jemand “der kommt im Namen des Herrn”, wie die Alten sungen;
wir brauchen dann jemand, der uns genau die Worte sagt
die wir als deine Worte verstehen;
wir brauchen dann jemand, der in seine Taten zeigt
dass du noch immer für uns da bist,
für uns selbst, für unsere Welt
die manchmal ratlos ist über die grosse Fragen die es gibt.
Sei du bei uns, lieber Gott,
mit deiner Inspiration, wie sie so sichtbar ist in Jesus, deinem Sohn,
wie wir auf ihn gehofft haben, ihn begrüsst,
ihn geglaubt haben, als deine Erleuchtung für uns Menschen,
als deine Hoffnung für unsere Zukunft.

Amen.

Predigt:
Die Geschichte von dem Einzug Jesu in Jerusalem ist im Grunde genommen ein Missverständnis ohnegleichen. Und wie es bei Missverständnisse so oft passiert, geht es auch hier um ein enormes Missverhältnis, eine Disproportion zwischen dem was eigentlich passiert, und dem, was die Menschen davon halten. Aber vielleicht passiert so etwas vor allem dann, wenn das Höchste auf dem Spiel steht, das Heiligste das den Menschen zugänglich sein kann. Wenn wir es sehen, oder hören wollen!

Vielleicht das schönste Beispiel eines grotesken Missverständnis beschreibt der grosse Dänische Theologe (und Schriftsteller) Sören Kierkegaard. Er schreibt:

“Es geschah in einem Theater, dass in den Kulissen Feuer auskam. Der Spaßmacher trat vor, um das Publikum zu unterrichten. Man hielt es für einen Scherz und applaudierte; er wiederholte es; man jubelte noch lauter.”

Man muss sich vorstellen, wie es dann weiter geht; was dann alles passieren kann… oder passieren wird …

Diese Geschichte an sich schon reicht vielleicht um uns zu Nachdenken zu bringen. Kierkegaard aber fügt noch seine eigene Folgerung an, wenn er schreibt: “Ebenso denk ich, wird die Welt zu Grunde gehen unter allgemeinem Jubel von witzigen Köpfen, die glauben, es sei ein ‘Witz’.”

Vielleicht hat er auch darin recht: geht es schlimm mit der Welt, weil das Ernsthafte nicht ernst genommen wird, und zu viel zum ‘Witz’ erklärt wird.

Uns geht es heute um etwas anderes: um das Missverständnis zwischen dem Clown und sein Publikum. Als ob es nicht möglich ist für einen Clown, einen Spassmacher, um die ernsthafteste Warnung auszusprechen: dass das Theater, dass die Welt, in Feuer steht. Und dass die Folge ist, dass die Menschen zugrunde gehen, obwohl sie gewarnt sind. Die nur noch lachen können, und jubeln, während die eigene Umgebung, die Welt vielleicht, untergeht. Wann werden wir wirklich gewarnt? Gehen wir an allen Warnungen vorbei? Wann sind wir wirklich imstande um zu verstehen was vor unseren Augen passiert?

Vielleicht geht von der Geschichte Kierkegaards schon die wichtige Warnung aus, dass auch wir, in allem was wir tun und sagen, auch selber leicht Missverständnisse aufrufen; und dass wir natürlich auch leicht die Worte und Taten von anderen Menschen anders verstehen als sie gemeint sind. Die meiste Missverständnisse werden ernsthaft, weil sie nicht als solche verstanden werden, und Menschen dann als Gegner gegenüber einander stehen, und in ihre Standpunkte verharren. Es hilft schon, wenn wir uns von den mögliche Missverständnisse bewusst sind, bevor sie entstehen, und nachdem sie entstanden sind, und wir die bittere Früchten ernten von dem was wir selber gesät haben. Es hilft also, wenn wir unsere Missverständnisse als solche erkennen, und versuchen zu klären. Bevor es zu spät ist, und Menschen Feinde von einander werden, oder das zu lange bleiben.

In diesem Sinne kann es hilfreich sein um zu sehen, wie gross die Missverständnisse sind in der biblische Geschichte die wir heute gelesen haben. Im Grunde geht es um das Missverhältnis zwischen dem wer Jesus eigentlich ist, und was die Menschen von ihm halten. Was die Menschen von damals von ihm gehalten haben, und was auch wir, jetzt, so leicht von ihm denken. Im Grunde genommen geht es dabei um den Unterschied zwischen dem Heiligen und dem Bekannten (um so zu sagen): was uns schon allzu bekannt ist.

Es ist für uns Menschen so schwierig um mit dem Heiligen als mit dem Heiligen umzugehen. Das Heilige, mit allem auch was das Heilige ausmacht, – also auch mit dem was uns erschüttert und ermutigt, was uns schockiert und tröstet, was Entsetzen bei uns bewirkt und Ehrfurcht, was uns im Leben leitet und was uns im Leben richtet, – dieses Heilige ist manchmal zu gross für uns, zu gross um bestimmend zu sein in unserem täglichen Leben. Wir verkleinern es also, machen es praktisch, reduzieren es zu etwas das in unserm Leben passt, und uns so hilft wie wir es brauchen. Nicht mehr, nicht weniger. In unschuldige Form sehen wir es in den Beschreibungen von Menschen die als Heiligen betrachtet werden: das fast unglaubliche das sie getan haben, bekommt etwas gemütliches, etwas das sich nicht zu weit hinausstreckt über unser eigenes Leben. Als ob wir fast selber das alles getan hätten können! Damit es noch fassbar bleibt, damit wir es verstehen, aus unseren eigenen Gedanken heraus, aus unserer eigene Geschichte heraus, mit den Vorstellungen die uns noch gerade vertraut sind. Das Heilige, der Heilige, muss noch vertraut bleiben, damit es sich nichts weit über uns erhebt, zu abstrakt wird, zu flüchtig.

So bekommt auch der Einzug Jesu in Jerusalem etwas fast gemütliches. Etwas wie ein kleines Fest. Die Menschen waren schon für das grosse Fest in Jerusalem zusammengekommen, das Fest von Pesach, von Ostern, und wenn sie hören, dass dieser besondere Mann, der schon so viele Wunder bewirkt hat, solche wunderbare Geschichten erzählt hat, im Namen Gottes (wie sie hörten), – dass dieser Mann auch in die Stadt kommt, dann feiern sie sein Kommen als ein festliche Ereignis, das irgendwie Anklänge hat an den alten Geschichten über den Messias. Wie genau, das wissen sie nicht, das kümmert sie vielleicht auch nicht so sehr, wenn sie nur das Moment geniessen können. Das Moment dieser Freude, von diesem Einzug, von diesem Mann “der kommt im Namen des Herrn, der König Israels”, wie sie singen mit den Worten des alten Palms. Sie brauchen nicht so genau zu wissen, wie das alles zusammenhängt, die grösste Erwartungen des Messias, die alte Lieder die immer gesungen werden, die Besonderheiten über diesen jungen Mann, die Hoffnungen auch die er bei Menschen geweckt hat, – sie feiern einfach, in ihrer Freude, und sie wissen nicht wie gross die Missverständnisse sind, die sie hervorrufen; in ihre Lieder, in ihre Gesten die von Wonne erfüllt sind; die ein Vorbild geblieben sind von einer Haltung, die grundsätzlich nicht versteht, wer Jesus eigentlich ist. Wie er tatsächlich “im Namen des Herrn kommt”. Wie er uns ankündigt, dass es ‘Feuer gibt im Theater’, aber uns auch weist was wir dann selber tun können. Damit wir nicht nur lachen, unsere Freude haben, und abwarten, sondern wissen wie es um die Wirklichkeit in der Welt steht, und mit der uns mögliche Liebe zu Menschen versuchen das Theater zu retten, die Menschen zu retten die sich darin befinden, auch uns selber. Damit es Frieden gibt in der Welt, und Hoffnung auf ein Zusammenleben von Menschen “im Namen Gottes”.

Vor kurzem las ich wieder in die “Gespräche mit Kafka”, die von einem damals jungen Mann aufgeschrieben wurden, von Gustav Janouch. Ich finde das noch immer ein wunderschönes Büchlein, das mir viel über Kafka, und viel über das Leben und die Bücher gelehrt hat. In eines dieser Gespräche fragt Janouch: “Was ist Glaube?”

Und dann antwortet Kafka:

“Wer den Glauben hat, der kann ihn nicht definieren, und wer ihn nicht hat, auf dessen Definition lastet der Schatten der Ungnade. Der Gläubige kann nicht, und der Ungläubige sollte darum nicht sprechen. (…)

“Und Christus?”

Kafka neigte den Kopf.

Etwas später sagt er: “Das ist ein lichterfüllter Abgrund. Man muss die Augen schließen, um nicht abzustürzen.” (98).

Für mich ist das einer der angemessenste Ausdrücke über Jesus den ich kenne: “ ein lichterfüllter Abgrund”. Für Kafka muss dieser Ausdruck, dieses Bewusstsein, etwas schauererregendes haben, und dasselbe gilt wahrscheinlich für alle die verstehen mögen, was die bleibende Bedeutung dieses Mannes ist, “der kommt im Namen Gottes”. Ein Abgrund: das heisst nicht notwendig, dass wir selber darin abstürzen, wenn wir unsere Augen offen halten. Es heisst vielleicht vor allem, dass wir die Tiefe und die Höhe sehen, – auch sehen wollen,  – von der mögliche Anwesenheit Gottes in unserer Welt, in unserem Dasein. Ein Abgrund die von Licht erfüllt ist: von einem möglichen Wissen um die Anwesenheit Gottes. Auch wo wir ihn nicht erwarten. Auch im Leiden von Menschen. Auch in der Liebe die auf uns zukommt. Auch in der Liebe die wir selber geben können. Wissend um die Gnade Gottes.

Amen.

Gebet:
Lieber Gott,
wir bitten dich, dass du bei uns bist
wenn wir versuchen das Heiligste dieser Welt zu verstehen,
was die Grundlage unseres Daseins bildet,
was die Welt geschaffen hat, und unterhaltet,
wie du dich in Menschen erkennen lässt,
und uns einlädt zu unserem eigenen Leben;
wozu du uns gerüstet hast, und uns Aussicht gibst
auf was das Leben von Menschen mit einander sein kann,
in Gerechtigkeit und Liebe,
in Aufrichtigkeit und Sorge für einander.
Gib, dass wir es verstehen
und zeigen in unserem Leben.
Wir bitten dich,
dass du uns hinaussteigen lässt über alle Missverständnisse
die das Zusammenleben von Menschen ernsthaft bedrohen;
Missverständnisse, die es so leicht gibt
in allem was wir nicht verstehen,
in allem was wir nicht deutlich sagen,
in soviel worüber wir zu leicht denken,
oder was wir schwerer auffassen als es ist.
Bewahre uns vor Leichtfertigkeit,
bewahre uns vor einer Schwermütigkeit,
wodurch wir das Leben so leicht verpassen.
Wir bitten dich,
dass du bei uns bist, um das Bild zu bewahren
das wir irgendwo von deinem Sohn Jesus Christus empfangen haben
als ein Muster von von Heiligkeit und Liebe;
dass wir davon wissen, dass es bei uns bleibt
und uns leitet bei den Entscheidungen
die wir in unserem Leben nehmen,
in aller Reinheit, in aller Lebendigkeit, in aller Ermunterung.
Sei bei uns allen, Gott, lass uns deine Menschen sein,
in dieser Welt.

“Onze Vader…”
Amen