Gottesdienst 26. Mai 2019

Bibellesungen:

I Tim. 3: 16.

II Könige 2: 1-19.

Apostelgeschichte 1: 4 – 12.

 

Gebet:

Lieber Gott,

wir kommen zu dir, unser Leben lebend,

mit all’ den täglichen Ereignisse die es gibt,

die uns mit Freude erfüllen, und mit Trauer,

mit all’ den besonderen Momente auch,

wenn wir erfahren wie schön das Leben ist,

wie sinnvoll auch, mit all’ den Menschen auch

die wir begegnen, die uns inspirieren,

die uns auch nahe bringen zu dir;

mit all’ den traurigen Erfahrungen auch,

wenn das Leben anders geht als wir so innig hofften,

wenn wir uns verabschieden von teueren Menschen,

wenn wir furchten das Leben verpasst zu haben

das du uns gereicht hast, für uns bestimmt.

In all’ diese verschiedene Stimmungen suchen wir dich

um unsere Gedanken zu leiten, um wieder zu wissen

wie wir, in unserem Glauben an dich, uns zu verhalten haben,

in Dankbarkeit, in Treue an dich, der für uns so wichtig bist,

wenn wir das bedenken, in einer Stille, einer Sammlung

die uns teuer ist.

Es gibt auch manchmal Anregungen von draussen

um über die wichtigsten Sachen unseres Lebens nachzudenken,

Fragen von Freunde, Bemerkungen von Kindern,

die schönste Dinge die wir sehen, lesen,

auch die einfachste Glaubensbekenntnisse von Menschen

die uns zu denken geben, uns zu einem Gespräch einladen,

mit einem andern, mit uns selbst, mit dir auch,

in einem Gebet, das um Klarheit sucht,

eine Serenität, die fruchtbar ist in unserem Leben.

Sei dann, o Gott, bei uns, erleuchte uns,

gib uns deinen Geist.

Amen.

 

Predigt:

Was könnte ‘Himmelfahrt’ für uns bedeuten?

Allererst möchte ich eine kleine autobiographische Anekdote erzählen: als ich vor fast vierzig Jahre mein erstes Segelboot kaufte, an einem wunderschönen Himmelfahrtstag, – ich war frei, wie fast alle Menschen im Lande, – und, stolz darauf, dieses meinen Töchter zeigte, und danach vorschlug dieses Boot “die Himmelfahrt” zu taufen, weil dieser Name etwas von meinem beruflichen Anliegen zeigte, und etwas vom Entzückende des Segeln selbst, etwas fast Himmlisches, dachte ich, – kamen meine Töchter heftig in Aufstand: das ging wirklich zu weit, dieser Name war einfach nicht akzeptabel, zu dogmatisch, zu peinlich. Sie konnten nicht mit Freude darin segeln, sagten sie. Was würden ihre Freunde/Freundinnen davon sagen? Dieser Name ist es dann auch nicht geworden…

Es wurde eine erleuchtende Erfahrung für mich. Denn wie es meinen Töchter ging, so geht es vermutlich die meisten von uns, mit der Gedanke alleine schon von Himmelfahrt. Es ist ein Wort, das uns nicht mit wichtigen, gläubigen, Gedanken erfüllt, auch nicht mit schönen Erinnerungen von damals, höchstens noch mit einem Gefühl einer teueren Freiheit, die nichts mehr mit der Kirche zu tun hat; wo wir alles tun und denken können was uns einfällt. Und – ehrlich gesagt – auch das schon kann wichtig für uns sein!

Aber, dachte ich später, was mit Himmelfahrt passiert, als eine zu dogmatische Benennung von etwas was wir nicht ganz verstehen können, – und dann auch manchmal intuitiv verwerfen, – das passiert uns überhaupt mit den sogenannten Dogmen, die wir verstehen können als versteinerten Auffassungen von Menschen von damals, über Sachen des Glaubens, die, durch eine lange Tradition, so weit weg von uns stehen, dass es manchmal ist als ob wir und sie in eine andere Welt leben.

Können wir dann noch den Weg zurückfinden zu den grundlegende Erfahrungen von damals, die den Glauben unserer Vorfahren geformt haben? Auch den Glauben der ersten Christen. Es ist wichtig um das zu tun, um das mindestens zu versuchen, glaube ich. Ich las irgendwo, bei einem Ägyptischen Schriftsteller, der auf französisch schreibt, Albert Cossery, den wunderschönen Satz: “Wenn wir uns befreien aus der Welt der Dogmen, die manchmal Jahrhunderten Jahre alt sind, dann bekommt das Leben eine aussergewöhnliche Serenität.”. Man könnte vielleicht auch sagen: wenn wir uns aus der Welt der Dogmen befreien, dann bekommt der Glaube wieder seine damalige Serenität, seine wirkliche Klarheit. Vielleicht können wir dann auch verstehen, was Himmelfahrt eigentlich bedeutet. Können wir das auch unseren Kindern erzählen.

 

Um zu verstehen warum es eigentlich mit Himmelfahrt geht, ist es vor allem wichtig, uns ein bisschen in die jüdische Kontext zu versetzen. Die Geschichte der Himmelfahrt Jesu, – so unverständlich diese an sich ist, (“So etwas passiert Menschen doch einfach nicht!”, sagen auch wir zu uns selbst), – diese Geschichte wird ein bisschen mehr zugänglich wenn wir auch die viel ältere Geschichte dabei lesen, über die Himmelfahrt des alten Propheten Elias. Darin wird um sozusagen die Himmelfahrt Jesu vorgezeichnet; werden die Umrisse gezeichnet, worin dann später die neue Geschichte, die von Jesus, ausgefüllt wird, mit neuen Farben, mit anderen Gesichtern.

Warum geht es dann in der Geschichte der Himmelfahrt Elias?

Das erste das vorgezeichnet wird, ist der Kontext von Abschied und Treue; Abschied eines ehrwürdigen Propheten, Elias, zusammen mit Mose der wichtigste unter den Propheten des Alten Bundes, und der Treue seines Dieners Elisa, der sein Nachfolger werden wird. Elia hat sich zeitlebens für sein Gott, den Gott Israels, eingesetzt, für den rechten Glauben (gegen den Götzendiener), für die Gerechtigkeit unter Menschen (auch gegen den König), und für eine gewisse Integrität des Glaubens, sagen wir eine modellhafte Serenität, in Gebet und Lebenshaltung. Er wurde von seinen Anhängern verehrt, auch von Elisa.

Elia bekommt so etwas wie ein Vorgefühl seines Abschieds, wir wurden sagen seines Todes, aber vielleicht hat er auch selber gewusst dass es hier um etwas Besonderes ging. Auf jeden Fall möchte er gerne alleine sein, vielleicht alleine mit Gott, vielleicht nur mit sich selbst. Er versucht seiner Diener Elisa loszuwerden, verschiedene Male hinter einander. Er zieht kreuz und quer durch das Land, in der Hoffnung dass sein Diener ihn verlässt, aber jedesmal durchschaut dieser die Absichten, und bleibt bei seinem Herrn. Er sagt, sich einfach wiederholend: “ So wahr der Herr lebt und so wahr du lebst; Ich verlasse dich nicht.” Was hier schon wichtig ist, und für alle Zeiten wichtig bleiben wird, das ist die Verbundenheit zwischen Menschen, im Angesicht des Abschieds, des Todes manchmal, so wie hier in der Verbundenheit von Lehrer und Lehrling, von Herrn und Diener, aber auch in ganz andere Verhältnisse zwischen Menschen. Wenn die Verbundenheit auch im Angesicht des Todes bleibt, zwischen Eheleuten unter einander, zwischen Eltern und Kinder, zwischen Freunden manchmal auch, wenn wir wissen dass der eine zu gehen hat, und der andere bleibt. In Verbundenheit mit einander, in Treue an was alles an Gutes gegeben war, in der Hoffnung auch alleine weiterzuführen was so lange Zeit gemeinsam war. Hier ist das alles schon vorbildlich anwesend. Und auch noch die Frage, ob wir den anderen alleine lassen mögen, wenn dieser das letztendlich will. Oder, ob wir dann dennoch zusammenbleiben mögen, entgegen den fast letzten Willen.

Hier, auf jeden Fall, bleiben sie zusammen. Und das hat auch eine Absicht. Nur dadurch dass sie zusammenbleiben, in dieser Stunde des Abschieds, kann verwirklicht werden was die Bedeutung dieser Stunde wurde: die Übergabe des Prophetenamtes: dass die Funktion des Propheten von dem einen Menschen auf einem anderen übergeht. Hier, in dieser Geschichte, ist diese Übergabe nicht nur eine Sache von Menschen. Es ist nicht so dass Elia seine Würdigkeit an einem anderen übertragen will; so wie wir vielleicht hoffen können dass anderen weiterführen was uns im Leben am teuersten war. Es ist auch nicht so, dass Elisa den Wunsch hat, oder die Anmaßung, den Auftrag Elias selber weiterzuführen. Es ist als ob hier etwas passiert, dass alle Absichten von Menschen weit übersteigt. Als ob Gott selber in alle Verwirrungen, in alle Absichten von Menschen, in alle Ängste und alle Sehnsüchte die uns erfüllen, eingreift, und diese auf eine neue, höhere Ebene stellt. Diese, um sozusagen, in sein Himmel zieht, um daraus etwas ganz neues hervorzubringen. Damit die Menschen wirklich weiter gehen können, mit ihrem Leben, in ihrer Suche nach eine neue Zukunft.

Die Geschichte der Himmelfahrt Elias, seiner Entrückung, wie unverständlich diese für uns auch scheint, wird verständlich als die Übergabe des Amtes des Propheten: Elia wird seines Amtes enthoben, und gleichzeitig aufgehoben, in der Nähe Gottes; Elisa wird mit dem Amt Elias bekleidet: er hat im Namen Gottes zu den Menschen zu sprechen, er muss die Distanz zwischen Mensch und Gott mit seinen Worten, mit seinen Zeichen, überbrücken.

Diese Bekleidung mit dem Amt des Propheten, in der Nachfolge Elias, findet auf eine buchstäbliche (und fast komische Weise) statt. Es ist der Mantel Elias die hier in unsere Geschichte eine aussergewöhnliche Rolle spielt. Dieser Mantel ist mehr als das übliche Kleidungsstück das uns erwärmt und gegen Regen und Schmutz beschützt. Er wird hier zum Instrument des Propheten. In unsere Geschichte benutzt Elia seinen Mantel als ein Stab um den Fluss, den Jordan, zu spalten, damit sie trockenen Fusses hindurch schreiten können. So wie Mose das früher mit seinem Stab am Schilfmeer gemacht hat: um den Ägypter zu entkommen, um sicher den Auszug zu machen und die lange Reise durch die Wüste machen zu können. Etwas später, in unserer Geschichte, wenn Elia aufgehoben ist, und Elisa ihn nicht mehr sieht, “fasste er sein (eigenes) Gewand und riss es mitten entzwei”. Als ein Zeichen seiner Trauer, seiner Zerbrochenheit, durch den Verlust seiner Meister. Aber dann entdeckt er den Mantel, der Elia entfallen war, hob ihn auf, und geht damit zurück zum Jordan. Dort macht er genau dasselbe was Elia vor ihm getan hat: er schlug mit ihm auf das Wasser, und der Fluss spaltete sich, genau wie bei Mose damals, wie bei Elia kurz davor. Es ist die Bestätigung dessen was er selber vor Augen gesehen hat, das Zeichen von dem was sein Auftrag im Leben weiter ist: die Verwirklichung der Übergabe des Amtes des Propheten. Dass er auch kann was er muss. Er weiss es jetzt für immer, und, mit dem Mantel, nimmt er auch die Verantwortung dafür von seinem Meister über. Die Himmelfahrt Elias wird der Anfang seiner von Gott begründete Auftrag in seinem Leben.

Nachdem wir etwas ausführlicher verweilt haben bei der Geschichte der Himmelfahrt Elias, ist es vielleicht etwas leichter geworden um auch die Geschichte der Himmelfahrt Jesu zu verstehen. Auch hier geht es gewissermassen um die Übergabe seines Amtes, auf die Jüngern. Jesus verabschiedet sich nicht sosehr, er wird von Gott aufgehoben, ‘emporgehoben’, zu sich gerufen, unseren Blicken entzogen, wie es ausdrücklich gesagt wird. Es wird berichtet dass eine Wolke ihn aufgenommen hat, damit er selber für uns unsichtbar ist. Genau wie bei der Geschichte der Auferstehung sind hier zwei Engel anwesend, “Männer in weissen Gewändern”, die den Jüngern den Weg weisen die sie zu gehen haben. Und sie gehen nach Hause, betend, und abwartend was weiter geschehen wird. Wie sie, wie Jesus ihnen gesagt hatte, seine Zeugen sein würden, in Jerusalem, und weiter hinaus, in der ganze Welt.

Auch die Jünger von damals wussten genau, dass sie, auf ihre Weise, den Auftrag Jesu weiterführen sollten, und – vielleicht – auch konnten. Mit Fallen und Auferstehen, um sozusagen, ohne ihren Meister, durch eine Wolke (und mehr) von ihm getrennt, aber von den Heiligen Geist gestärkt, die sie noch voll Vertrauen erwarteten.

Vielleicht ist dieser Wolke, zwischen Gott und uns, nie ganz verschwunden. Ist es noch immer schwierig für uns geblieben, oder geworden, um ihn so zu sehen wie wir es manchmal verlangen, in seiner Klarheit, in seiner Serenität. Aber dennoch können wir versuchen das Amt das uns anvertraut ist, auf uns zu nehmen: das Amt des allgemeinen Priestertums, wie es im Protestantismus formuliert wurde.

Im Mittelalter ist in England ein Buch geschrieben, von einem unbekannten Autor, ein Mönch ohne Zweifel, der diese Wolke als Ausgangspunkt genommen hat für eine mystische Annäherung an Gott. “The cloud of unknowing”, heisst das Buch, “Die Wolke des Nicht-Wissens”. Dieses Buch ist ein Versuch mit diesem Wolke zu leben, und dennoch zu versuchen Gott zu verstehen. Er, dieser Mönch, schreibt: “was du auch versuchst, diese Finsternis, diese Wolke bleibt zwischen dir und Gott, und verhindert dich nicht nur ihn zu sehen im klaren Licht des Verstandes, aber auch seine Lieblichkeit zu erfahren mit deinem Gefühl. Habe damit Frieden, in diese Finsternis warten zu müssen, so lange du brauchst, aber bleibe in deinem Verlangen nach ihm, der dich liebt.”

Ich glaube, dass es erleuchtend sein kann, um von dieser Wolke zu wissen, zwischen Gott und uns, eine Wolke die geformt ist durch all unsere Gedanken, unsere Worte (auch über Gott), unsere Wünsche und Sehnsüchte, aber dennoch zu wissen dass wir nicht auf eine gute Weise Mensch-sein können, ohne dieses Verlangen Gott irgendwie zu erreichen, oder von ihm erreicht zu werden. Immer wieder in unserem Leben.

Dann kann es auch befreiend sein um, wie selten das auch passieren mag, so etwas wie eine Erfahrung von Gott zu erleben. Aus uns selber hervorkommend, wie in einem grossem Verlangen, oder von Gott her uns erreichend, als ein immer neues, befreiendes Moment unseres Lebens.

Der grosse Russische Dichter Osip Mandelstam hat das ganz knapp in einem kurzen Gedicht umschrieben:

 

Groß, ein Vogel, flog der Name Gottes

aus dem Innern, war nicht mehr.

Vor mir Dunst und Nebel, dichter,

Hinter mir ein Käfig, leer.                             (Übersetzung Paul Celan).

 

Vielleicht verlangen wir noch immer nach so etwas: dass unsere Seele aufsteigt zu Gott, wie ein Vogel, auf eine Art Himmelfahrt, und wir etwas erfahren von seiner befreiende Nähe. Damit wir auch selber wieder wissen, wer wir eigentlich sind, und was wir im Leben tun können. Damit die Welt von ihm gesegnet ist.

Amen.

 

Gebet:

Lieber Gott,

wir bitten dich, dass wir immer besser verstehen können

was du uns sagst, was du uns zeigst,

wie du in unserem Leben anwesend bist;

gib dass wir nicht zufiel in uns selber befangen sind,

und dadurch von dir, wie durch eine Wolke, getrennt,

auch wenn es wichtig ist was wir selber denken,

was unsere Pläne sind für die nächste Zukunft,

wie gross unsere Sorgen auch sind, für unsere Nächsten,

für die Zukunft von Menschen, für unsere Welt.

Gib dass wir etwas von deiner Erhabenheit

erfahren können in unserem gewöhnlichen Leben,

dass du uns zu dir emporhebst,

in unserem Wissen von unserem Auftrag im Leben,

was wir in unserem Leben einfach tun müssen,

in deinem Namen, mit deinem Segen,

im Wissen von deiner Zukunft in unserer Welt.

Wir bitten dich für die Menschen

die sich verabschieden müssen von teueren Menschen,

die alleine hinterbleibend, manchmal ohne Trost,

ohne Aussicht auf Leben;

sei du bei ihnen anwesend, als einer,

der uns Menschen stärkt, in dem

was wir am meisten brauchen, in einem Wissen

von dir geliebt zu sein, mit einem Auftrag gesegnet,

in einem Wissen, Mensch unter den Menschen zu sein,

für deine Zukunft offen.

Sei bei uns allen, Gott, damit wir wissen,

wie du uns allen nah bist, in der Hoffnung

dass wir deine Menschen sind,

in unserer Welt.

“Onze Vader…”

Amen