Gottesdienst 25 Februar 2018
Bibellesungen:
Psalm 36: 6 – 10.
Markus 9: 14 – 28.
Gebet:
Lieber Gott,
Auch wir brauchen es oft, in unserem Leben,
um wieder erinnert zu werden an deiner Grösse,
um wieder zu wissen, dass es deine Liebe gibt
die uns umringt, uns deine Güte zeigt,
uns bewusst dessen wird, dass auch wir, für uns selber,
immer das Gute sehen können in unserem Leben;
dass auch wir, anderen gegenüber, darauf hinweisen können,
dass es wichtig ist, den Mut nicht zu verlieren,
um, miteinander, noch immer das Beste hoffen zu können,
in dem was wir tun, in was wir erwarten können.
Wir suchen deine Heiligkeit, auch dann,
wenn wir das Leben manchmal als so profan erfahren,
als zu gewöhnlich, als zu klein,
als ob wir mehr davon erwartet hatten;
wir suchen dann so etwas als deine Spuren,
Zeichen deiner Anwesenheit, wo du gezeigt hast
wie besser es uns Menschen gehen kann,
wenn es gelingt in Freude bei einander sein zu können,
wenn wir aufmerksam sind auf was uns kümmert,
wenn wir es schaffen einen Funken deiner Liebe
auch anderen zu übergeben.
Sei du bei uns, wenn wir versuchen
dein Licht in unserem Leben zu erblicken,
sei du bei uns, wenn wir versuchen zu erblicken
wo auch in dieser Welt dein Licht sichtbar wird,
für Menschen die es brauchen, Menschen wie wir,
Menschen die dich brauchen,
mit deiner Halt, deiner Anwesenheit, deiner Liebe.
Amen.
Predigt:
Die Geschichte der Heilung des besessenen Jungen, die wir heute gelesen haben, ist, meiner Ansicht nach, eine der ergreifendsten Geschichten die über Jesus erzählt wird. Und das wird vor allem sichtbar in der Weise worauf der Evangelist Markus diese Geschichte erzählt. Er beschreibt diese Geschichte am ausführlichsten. Er beschreibt nicht nur wie schrecklich es ist, um an diese Krankheit zu leiden, in der wir jetzt alle Symptome einer Epilepsie erkennen können. Er beschreibt auch die Besorgtheit seines Vaters, die Heftigkeit seiner Gefühle, und das grosse Verlangen dass an dieser Krankheit ein Ende kommt. Er tut alles was er kann, damit sein Sohn wieder besser wird, wieder ein ‘normal’ funktionierender Mensch sein kann. Und er beschreibt dann auch, wie die Genesung dann stattfindet: als ob der kranke Jungen noch einmal alle die schreckliche Momente eines solchen Anfalls erleiden muss, damit er danach ganz gut und gesund weiter durchs Leben kommt.
Es muss für die Umstehende von damals ein wirklich schauererregendes Ereignis gewesen sein. So wie es auch für uns noch immer, auch in dieser Zeit, ergreifend ist, um einen solchen Anfall bei einem Menschen mitzuerleben. Schon bei unbekannten Menschen, und wie sehr dann auch bei von uns geliebten Menschen. Alle Fragen über Krankheit und Gesundheit, über das ‘warum?’, über das ‘wie?’ einer möglichen definitiven Genesung, werden dann mobilisiert. Und dann natürlich auch die Frage was unser Glaube an dieser Zustand eigentlich beitragen kann. Ist es uns möglich die Hoffnung auf ein heiles Leben wirklich mit unserem Glauben zu verbinden? Was könnte dieser Glaube dann sein?
Um diese Geschichte in seiner Grösse verstehen zu können, ist es wichtig auch die vorangehende Geschichte dabei mitzuziehen. Das ist die Geschichte der Verklärung Jesu, eine der heiligsten Geschichten im Neuen Testament. Darin wird erzählt wie Jesus, zusammen mit seinen am meisten vertrauten Jüngern, auf einen Berg steigt, und dort vor ihren Augen verwandelt wird, strahlend weiss, und Elia und Mose dort erschienen, und sie mit Jesus redeten. Auch hören sie alle eine Stimme, offenbar die Stimme Gottes, die ruft: “Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören”.
Wenn sie danach den Berg absteigen, wird den Jüngern verboten es an anderen zu erzählen, bevor “der Menschensohn von den Toten auferstanden sei”, wie dort steht.
Auch wenn sie nicht verstehen konnten was das meinte: “von der Toten auferstehen”.
Unmittelbar danach, findet die Geschichte der Genesung statt, die wir heute gelesen haben.
Beide Geschichten gehören zusammen. Die Verklärung, die Verherrlichung Jesu auf den Berg, entleiht seinen Sinn aus allem, was Jesus während seines Lebens tut; was er zu Menschen spricht, was er an Menschen tut. Und umgekehrt, wenn Jesus den Jungen heilt, tut er das aus der Vollmacht, die ihm von Gott gegeben wurde. Die Verklärung ist nicht denkbar ohne die liebevolle Taten, die Jesus kennzeichnen. Und was er kann, ist nicht vollziehbar ohne den Zuruf Gottes, ohne seine Bewilliging dazu.
Auf eine meisterhafte Weise ist diese Zusammenhang dieser beiden Geschichten sichtbar gemacht durch den grossen Maler Rafael, in einem Bild von aussergewöhnliche Massen, das die “Transfiguration” heisst. Es befindet sich im Vatikanisches Museum, und eines schönes Kopie auf eine auffallende Stelle in der Peterskirche in Rom. Es zeigt beide Geschichten zusammen: die obere Hälfte ist an die Verklärung Jesu gewidmet, mit alle Figuren aus der betreffende Geschichte, die unterste Hälfte an den kranken Jungen, im Moment eines schrecklichen Anfalls, umringt von seinem Vater, und die anderen Jüngern, in ihrer Erschütterung, und in ihrer Machtlosigkeit. Was in der Bibelgeschichte nacheinander erzählt wird, wie es in unsere Geschichten nun einmal der Fall ist, – das wird hier gleichzeitig gezeigt. Wir können das verstehen als den Aufruf, um gleichzeitig die Heiligkeit Jesu zu bedenken, wie auch die Notwendigkeit des Mitleid Gottes.
Wir können auch sagen: um beide Seiten des Glaubens zu verstehen. Glaube als eine Erfahrung der Heiligkeit, auch wo Menschen mit einander zusammen sind; und als ein immer wieder zurückkehrendes Wissen, dass Menschen in Not sind, in Kummer, und geholfen werden müssen. Ohne unsere Machtlosigkeit aus den Augen zu verlieren, aber dennoch zu glauben, dass es besser gehen kann, im Leben von Menschen.
Dieses Bild der Transfiguration ist das Letzte das der Maler Rafael gemacht hat, er starb ganz kurz nachdem er es vollendet hatte, oder fast vollendet hatte, als er nur noch 37 Jahre alt war. So ist es so etwas wie ein Vermächtnis geworden, ein hintergelassenes Glaubensbekenntnis, worin das Wissen um die Heiligkeit Gottes und die Bekümmernis um Menschen mit einander verbunden, und weitergegeben werden.
In der letzte der beiden Geschichten, die der Heilung des besessenen Jungen, kommt auch der Glaube zur Sprache. Von Anfang an ist der Glaube, als Frage, in der Geschichte anwesend: als das ‘warum?’. Nicht sosehr das ‘warum?’ der Krankheit – das würde vielleicht unsere Frage sein,- aber als die Frage warum die Jünger (die nicht auf den Berg der Verklärung anwesend waren) nicht imstande waren den Jungen zu genesen, seinen “stummen Geist” auszutreiben. Sie werden von Unglauben bezichtigt.
Später in der Geschichte wird der Frage nach dem Glauben verlegt von denjenigen der die Genesung vollziehen sollten, von den Jüngern, zu den Vater der die Genesung für sein Sohn hofft. Wenn Jesus zu ihm sagt dass ‘alles möglich ist für den der glaubt’, dann ‘ruft’ er, dann schreit er es aus: “ “Ich glaube, hilf meinem Unglauben”.
Es ist als ob dieser Vater sein Glauben versteht als die notwendige Bedingung für die Genesung seines Sohnes, aber gleichzeitig weiss, dass er das nicht vollauf bewähren kann. Und damit die Genesung selber in Gefahr bringt. In seinem Schrei kommen also gleichzeitig sein tiefstes Verlangen und seine grösste Befürchtung zusammen. Er befürchtet dass es von ihm abhängt ob sein Sohn genesen wird, und er will, und er kann, nicht die volle Verantwortung dafür tragen. Er weiss zu gut dass sein Glauben immer mit Unglauben verbunden ist. Und auch auf diesem beladenen Moment kann (oder will) er das nicht verneinen.
Damit ist er eigentlich, ungewollt, ein Beispiel geworden für die Integrität des Glaubens: als ein Wissen dass der Glauben immer met dem Unglauben verbunden ist. Auch in dieser Situation wählt er nicht die Möglichkeit um – opportunistisch – einfach zu sagen dass er vollauf glaubt, um so die Genesung seines Sohnes so schnell wie möglich abzuhandeln. Auch dann kann er nicht vergessen, was er offenbar oft gedacht haben muss, dass er öfter in seinem Leben hin und her geschwankt hat zwischen dem Glauben und dem Unglauben. Zwischen einem Wissen dass es die Heiligkeit Gottes gibt, vielleicht auch die Heiligkeit des Menschen, dass es aber auch grosse Zweifel daran gibt, schreckliche Erfahrungen im Leben, grosse Enttäuschungen mit Menschen, die es uns einfach unmöglich machen um klipp und klar zu sagen dass wir glauben. Auch wir schwanken hin und her zwischen den grossen, und manchmal so definitiv scheinende, Äusserungen über Glauben und Unglauben, auch dann wenn wir sosehr nach ein bisschen Glauben verlangen. Als nach einer Quelle von Ruhe und Kraft, die uns Halt im Leben gibt, und so etwas wie ein Wissen dass es uns alle irgendwie im Leben gut gehen wird.
Wenn wir unsere Geschichte von heute so lesen, dann dringt sich eine gewisse Parallelität auf zwischen den Bewegungen des Sohnes, in seiner Krankheit, die von Markus sehr genau beschrieben werden als ein “hin und her gezerrt werden”, – und den Bewegungen des Vaters zwischen Glauben und Unglauben. Natürlich auf sehr verschiedenen Ebenen: als eine Krankheit bei dem Sohn, als ein Bewusstsein der grossen Fragen seines Lebens bei den Vater. Wir können auch sagen: als etwas wovon wir hoffen dass es genesen wird, und als etwas das so ungefähr die Dauersituation unseres Lebens andeutet: hin und her gerissen werden zwischen den verschiedenen wichtigen Möglichkeiten unseres Lebens. Zwischen Hoffnung und Angst. Zwischen Vertrauen und Unsicherheit. Zwischen Glauben und Unglauben. Manchmal in verschiedenen Graden, in den wichtigsten Sachen unseres Lebens, aber auch in dem was hinterher ein bisschen albern war. Wie kann dann unser Glaube in dieser Streit so etwas wie der Stärkste sein?
Eine schöne Antwort auf diese Frage können wir lesen in einem Brief, den der berühmte Dänische Theologe Sören Kierkegaard an seiner Schwägerin Henriette geschrieben hat, die geheiratet war mit seinem älteren Bruder Peter. Von ihm hatte er gehört, während eines Besuchs in Kopenhagen, dass sie (wie es damals hiess) “bettlägerig” war. Kierkegaard versucht sie in seinem Brief ein bisschen aufzumuntern, Mut einzureden, in ihrer Situation, die von Kummer beherrscht wurde.
Diesen Kummer beschreibt Kierkegaard auch als ein hin und her gerissen werden, als ein sich von der eine Seite auf die andere Seite wenden. Er schreibt über ihre Krankheit: “ Dieser stille, innerlich schmerzende, langsam zehrende Kummer, welcher sich bald leidend auf die eine Seite kehrt, und sich von anderen vergessen wähnt, “die vermutlich nie an einen denken”, bald sich nach der andern Seite kehrt, und bangt, was man zu sagen oder schreiben habe, sei nicht gut genug. O, scheuchen Sie ihn fort, diesen Kummer, der besonders Ihnen so gefährlich ist, weil Sie so oft bettlägerig sind und ständig in einförmiger Stille leben.” (171v).
Er empfiehlt sie sich mehr zu zerstreuen, so wie er schon in einem früheren Brief ihr empfohlen hatte vor allem täglich zu gehen, so wie er das auch selber gerne tut. Darin schreibt er: “ Verlieren Sie vor allem nicht die Lust dazu zu gehen: ich laufe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an, und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine beste Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen los würde” (168).
Beide Empfehlungen, sowohl die über die Zerstreuung als die über das tägliche Gehen, sind vielleicht an sich schon wichtig genug, aber gleichzeitig mehr als nur praktisch. Es steckt auch ein Glauben darin. Kierkegaard schreibt an seiner Schwägerin: “ Was heißt dann aber “glauben”? Glauben heißt immerfort des Fröhlichen, des Glücklichen, des Guten gewärtig sein.” Und weiter im selben Brief schreibt er: “ Gewöhnen Sie sich daran, gläubig das Leiden in eine Erwartung des Frohen zu verwandeln. Es ist wirklich möglich.” (172).
Wir sind nicht die Empfänger dieses Briefes, obwohl wir diesen lesen und uns dadurch ermutigen lassen können.
Wir wissen auch nicht wie die Empfängerin dieses Briefes darauf reagiert hat.
Aber wir können versuchen diesen Gedanken des Glaubens als “Erwartung des Frohen” irgendwo in unserem Inneres zu bewahren, und zu erinnern, wenn wir uns von der eine Seite auf der andere kehren, nicht schlafen können, und uns verzweifelt fragen was wir wählen müssen in unserem Leben; wo wir Halt finden; wo wir notwendig sind für andere Menschen.
Und: wo wir die Erfahrung der Heiligkeit Gottes in unserem eigenen Leben verwandeln können, zum Guten.
Amen.
Gebet:
Lieber Gott,
Wir bitten dich heute für die Menschen die krank sind,
schon längere Zeit, vielleicht ihr ganzes Leben,
die vielleicht die Hoffnung aufgegeben haben
noch wieder besser zu werden, vielleicht ganz gesund;
die sich grosse Fragen stellen über ihre Krankheit,
über ihr Leben, über den Sinn dessen
was sie alles in ihrem Leiden erleben müssen;
sei du bei ihnen als einer, der sie weiterhelfen kann,
sie überzeugt des Gutes ihres Lebens.
Wir bitten dich für die Menschen
die unsicher sind über die grosse Entscheidungen ihres Lebens,
die hin und her gerissen werden zwischen den Möglichkeiten die es gibt,
und selber nicht wählen können,
in ihrer Machtlosigkeit, in ihrer Angst;
sei du bei ihnen als einer, der ihnen einen Halt geben kann,
einen festen Punkt in ihrem Leben,
etwas wofür sie leben können.
Wir bitten dich, dass wir alle,
wie unsicher wir alle auch manchmal sind,
wieviele Fragen es auch gibt,
wie sehr wir manchmal auch zögern um etwas Gutes zu tun,
dennoch etwas erfahren können von deiner Anwesenheit,
von deiner Heiligkeit: wie gross du bist
in allem, was du uns täglich schenkst,
wie gross die Stärke ist, die du uns zeigst, wenn wir entdecken
was gut ist in unserem Leben;
wie gross der Glaube sein kann,
wozu du uns weckst in unserer Zerstreuung,
wenn wir nicht wissen wer wir sind,
wozu du uns allen rufst.
Sei bei uns, Gott, mach uns zu deinen Menschen.
“Onze Vader…”
Amen.