Gottesdienst 24 Juni 2018

Bibellesungen:

Psalm 145: 1 – 3; 14 – 18.

Apostelgeschichte 17: 16 – 34.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

auch wir kommen zu dir, mit unserem Gebet,

um dich zu loben, deinen Namen zu preisen,

denn auch uns überkommt manchmal ein Gefühl

von grosser Dankbarkeit für soviel

das uns im Leben wird gegeben;

für soviel Reichtum die es gibt,

in aller Schönheit dieser Welt, die wir nur aufzumerken brauchen,

in aller Freude bei den Menschen, die es einfach gibt,

bei aller Mühe auch, die soviel Menschen sich immer wieder geben

um gut für anderen zu sorgen, Aufmerksamkeit zu zeigen,

um Liebe zu verbreiten um sich her,

um Glück zu teilen, auch mit uns.

Auch dafür danken wir, wir wissen einfach

dass in das alles liegt der Grund unseres Lebens,

worauf wir selber weiter bauen mögen;

dass darin liegt der Grund auch unseres Glaubens,

als ein Gefühl das tief in uns verankert ist,

woran wir gerne festhalten im Leben.

Wir wissen aber auch dass es uns manchmal überkommt,

dass wir nicht mehr so sicher wissen,

ob dies alles auch für uns noch stimmt,

ob dieser Glaube noch immer für uns feststeht,

ob du noch immer für uns da bist,

so wie wir das so oft gefühlt, gedacht haben.

Wir bitten dich deshalb, dass du dich finden lässt,

von uns, die dich so dringend brauchen;

von Menschen auch in dieser Welt, die noch viel mehr als wir

es brauchen um zu wissen, dass du uns allen nah bist,

dass du uns unterstützt, in aller Not,

dass du uns Aussicht gibst auf Liebe,

dass du bei Menschen bist, einer von uns.

Amen.

 

 

 

 

Predigt:

 

Es ist vielleicht ein bisschen “Wasser ins Meer tragen”, wie man sagt, wenn ich heute diese Predigt anfangen möchte mit einem Verweis zu einer wunderschönen Novelle von Theodor Storm: “Im Schloss”. Sie kennen diese vermutlich, sind damit vielleicht aufgewachsen. Ich habe diese erst vor kurzem gelesen. Die Geschichte die erzählt wird, spielt sich (wie der Titel sagt) natürlich hauptsachlich in einem Schloss ab, hat aber nichts altmodisch an sich; im Gegenteil, sie ist manchmal überraschend modern, enthält Themen die kennzeichnend sind für die moderne Zeit. Deshalb war sie auch schockierend für viele Menschen in der Zeit als sie erschien (1862) : der erste Herausgeber wollte sie nicht akzeptieren. Ich werde heute nicht die ganze Geschichte erzählen, die sehr spannend ist, nur über ein Gespräch etwas sagen worin wichtige Fragen über Glauben, über Gott, erörtert werden. Die Hauptperson dieser Geschichte ist eine Frau, Anna, die als Kind schon auf dem Schloss aufgewachsen ist, und später danach zurückkehrt, um dort die grosse Liebe ihres Lebens wieder zu begegnen. Mit ihm, und mit einem sympathischen Onkel werden auch Gespräche über Gott geführt. Der Onkel, der auch im Schloss wohnt, widmet sich an Experimente mit toten Insekten, untersucht sie, und entwickelt auch von daraus seine Ansichten über die Gesetze des Lebens, und was dann noch von Gott übrig bleibt. Im Schloss gibt es zeitweise auch den Lehrer des jüngeren Bruders von Anna, der, auf Grund seiner Studien des Altertums auch aufgeschlossen ist für moderne Ideen. Diese Anna nun hat von klein auf ein vertrauliches Verhältnis zu Gott. Storm schreibt: “der “liebe Gott”, wie ihn die Kinder haben, war überall bei mir. (…) ich kannte ihn genau.” (I 492). Später, wenn sie sieht wie grausam manchmal die Welt der Tiere ist, wie diese von ihrem Onkel gezeigt wird, und wie sie das selbst beobachtet, ist sie erschüttert. In dieser Erschütterung begegnet ihr der Hauslehrer, und sie fragt ihn ihr von dieser Erfahrung zu befreien. Nachdem sie ihm erzählt hat was ihr kümmert, und er fragt “und nun?”, sagt sie: “ Ich habe bisher noch immer den Finger des lieben Gottes in meiner Hand gehalten”.

Dann antwortet er: “ Es gibt noch einen andern Gott.”

Danach, in ein längeres Gespräch, versucht er das zu erklären, mit Hilfe der Geheimnisse des Altertums, und mit dem “höchsten Sittengesetz in den Schriften derselben”, aber auch mit dem Satz aus der Bibel: “ So ihr mich von ganzem Herzen suchet, so will ich mich finden lassen!”. (510). Nach diesem Gespräch wird es bald ruhiger in ihrem Gemüt, und wenn sie letztendlich am späten Abend an ihrem Fenster steht, so schreibt sie in ihren Erinnerungen an dieser Zeit, sagt sie zu sich selbst: “Es war ein Gefühl ruhigen Glückes in mir; ich weiss nicht, war es die neue bescheidenere Gottesverehrung, die jetzt in meinem Herzen Raum erhielt, oder gehörte es mehr der Erde an, die mir noch nie so hold erschienen war.” (512).

Diese letzte Worte beziehen sich auf die Begegnung mit dem Hauslehrer, der sehr wichtig für sie werden wird. Das Gespräch findet also statt in Zusammenhang mit grosse Fragen von Liebe und Glauben, von Fragen der Erde und Fragen  der Menschen. Und vielleicht sind die Fragen nach Gott auch nie von diesen Fragen zu trennen. Auf jeden Fall wird in diesem Gespräch so etwas wie die ganze Entwicklung eines Menschen sichtbar, in Bezug auf den Glauben.

So geht es uns vielleicht auch manchmal: wie wir als Kind einfach in dem Vertrauen leben, dass Gott uns nah ist. Dass er uns in seinen Händen trägt, oder wie wir das auch immer ausdrücken mögen. Oder wie Storm es seine Heldin sagen lässt: dass sie “ihn genau kennt”, “einen Finger des lieben Gottes in ihren Hand gehalten” hat. Wir haben aber manchmal in unserem Leben auch die Erfahrung gemacht, dass dieser teuere kindliche Glaube nicht immer unverletzt bestimmend für unser Leben bleibt. Es ist manchmal ob dieser Glaube nicht die Kraft hat um uns bleibend zu nähren, den Kopf zu bieten an den schwierige Erfahrungen die es auch im Leben gibt. Die gibt es auch, für jeden von uns auf eine andere Weise, manchmal schrecklich, manchmal auf eine vorsichtigere Weise, aber oft mit dem Ergebnis, dass wir auf einem schlechten Tag entdecken das wir unseren früheren Glauben fast oder ganz verloren haben. Dass wir nicht mehr die Fragen beantworten können die wir uns selber stellen, in Bezug auf den Glauben, in Bezug auch auf Gott, dessen Finger uns entschlüpft sind, und wir nicht mehr wissen wo wir diesen zurückfinden können.

Es geht aber nicht immer so. Es gibt auch die Möglichkeit, das wir auf irgendeine Weise imstande sind, die viele verschiedene Erfahrungen unseres Lebens immer wieder auf unserem Glauben zu beziehen. Hinterher entdecken wir dann eine Art Entwicklung darin, worin viel von dem was wir im Leben erfahren haben, auch die schreckliche, aber auch die gute, die tragende Beweise von Liebe und Solidarität, darin mit bezogen werden. Und auch was wir im Laufe unseres Lebens von uns selber entdeckt haben: von dem was wir können, mit unseren Händen, mit unserem Verstand auch, mit unseren Möglichkeiten zu Kontakt, die Verwirklichung von Verbindungen mit Menschen. Die Möglichkeiten also von Liebe, von Freude, von Glück. Dann kann es auch uns passieren, dass wir jemand begegnen, der uns sagt: “es gibt noch einen andern Gott”, einen anderen Gott als den, den wir als Kind verehrten, der für uns immer in der Nähe war. Und dass wir, wenn jemand uns das sagt, das mit vollem Herzen bejahen können, und diese Entdeckung als eine Bereicherung unseres Lebens erfahren, die wichtig für uns ist.

Ist das so etwas wie die “neue bescheidenere Gottesverehrung”, worüber die Heldin der Novelle von Storm spricht? Ich stelle mich dabei so etwas vor, wie eine Gottesverehrung, die durch den Krisen unseres Lebens hindurchgegangen ist. Die den Weg gegangen ist von einem einfachen kindlichen Glauben, das einmal da war in ihrer Reinheit, in ihrer Unschuld, aber später angefochten wurde durch den schlimmen Erfahrungen unseres Lebens. Durch den kritischen Fragen auch, die anderen uns stellen, die wir uns selber stellen: wie dieser damals empfangenen Glaube mit unserem Verstand vereinbar ist; ob es standhalten kann gegenüber alle Fragen wir als moderne Menschen uns einfach stellen müssen. Und wenn dann noch so etwas wie ein wiedergewonnener Glaube, ein wiedergewonnener Gott, in aller Lebendigkeit in unserem Leben merkbar wird, sich andeutet als eine wirkliche Kraft, dann muss dieser bescheidener sein als die frühere, unreflektierter Form des Glaubens, der durchaus manchmal nicht versteht wie es anders ist als es fast selbstverständlich scheint, in unserem Leben, in unserem Glauben. Und vielleicht ist Gott immer anders als wir uns es je gedacht haben, zeigt er sich immer auf eine neue Weise.

Ein vergleichbares Gespräch, so wie es bei Storm erzählt wird, findet auch schon in Athen statt, wenn Paulus den Areopag, ein bekannter Hügel dort wo das Gerichtshof sie befand, besucht. Auch dort und damals hat er so etwas verkündet wie “es gibt noch einen anderen Gott”. Er ist schockiert von den vielen Götterbilder die er überall in der Stadt sieht, und vielleicht vor allem von der Verehrung die es davor gibt: was das den Menschen alles kostet, an Kraft, an Zeit, an Geld. Und, in seinen Augen, umsonst. Der Grund dafür ist, dass diese verschiedene Bilder eine Distanz schaffen zu dem Gott, so wie er ihn selber auffasst. Gott ist für ihn viel näher als die Menschen denken: “in ihm leben wir, bewegen wir uns, und sind wir’, sagt er zu ihnen. Er versucht seine Zuhörer zu befreien von einer überflüssige Indirektheit, einen Umweg via durch uns gestalteten Bilder und Figuren. Aber nicht alles was er dort in Athen findet, wird von Paulus verworfen. Er hat auch einen Altar gefunden mit dem Aufschrift: “einem unbekannten Gott”, und dieser Fund ist der Anknüpfungspunkt für seine Ansprache.

Es muss so etwas wie ein Verlangen geben nach Gott, auch wenn wir überhaupt nicht wissen wie er (oder sie, oder es) aussieht. Es muss ein Verlangen geben, auch wenn wir nicht wissen wonach. Ein Verlangen das uns hinauszieht aus der konkrete Wirklichkeit worin wir uns befinden. Ein Verlangen das uns, von wo denn auch, erfüllt mit Sinn, mit der Erwartung des Guten in unserem leben. Dieses Verlangen muss in Athen zu diesem Altar geführt haben,  “einem unbekannten Gott”. Dieses Altar funktioniert als so etwas wie eine Brücke zu dem Glauben, das Paulus den Athener predigen will. Als eine Antwort auf dem Verlangen von Menschen, von einem Gott der bisher für sie unbekannt geblieben ist, aber jetzt bekannt ist, in der Öffentlichkeit getreten ist. Aber auch ganz nah! Und er zitiert ungefähr dieselbe Worte, die auch der Hauslehrer bei Storm schon ausgesprochen hat, von einem Gott der sich finden lässt wenn wir ihn suchen. Bei Paulus ist das der Grund seiner Nähe.

Aber, obwohl Paulus diesen unbekannten Gott als ein wesentliches Bestandteil unseres Suchen gelten lässt, geht er dennoch einen Schritt weiter. Für ihn ist dieser unbekannte Gott nicht unbekannt geblieben, sondern hat sich offenbart in dem Mensch Jesu Christ, der (um so zu sagen) aus dem Dunkel der Unbekanntheit herausgetreten ist, und uns die Nähe Gottes gezeigt hat. In seiner Liebe zu den Menschen, bis zu seinem Tod und Auferstehung.

Wenn Paulus das letzte sagt, gibt es so etwas wie eine Spaltung zwischen seine Zuhörer: es gibt Menschen die darüber spotten, es gibt anderen die darüber nachdenken mögen; die darüber sprechen mögen; die zu ihm sagen: “ Darüber wollen wir dich ein andermal hören”. Und vielleicht liegt in diese Bereitschaft um mehr darüber zu hören, eine Annäherung an dem Glauben selbst; um weiter zu treten im Bereich des Unbekannten; um weiter zu suchen nach dem, der sich finden lässt.

Vielleicht, können wir letztendlich sagen, liegt in diese Bereitschaft um weiter gemeinsam zu suchen nach dem Gott der sich finden lässt, auch der Keim einer neuen Verehrung, einer ‘neuen bescheidenere Verehrung’, (um die Worte Storms noch einmal aufzunehmen). ‘Eine neue Verehrung’, die nicht nur durch das Gespräch, aber auch durch die Tiefe der menschlichen Erfahrungen hindurchgegangen ist. Auch durch die Tiefe des Todes, aber auch mit der Aussicht auf so etwas wie Auferstehung.

‘Eine neue Verehrung’, die auch von der Liebe weiss, wonach wir Menschen vielleicht immer verlangen; die wir vielleicht auch imstande sind um selber zu schenken. Wissend wie notwendig diese ist in unserer Welt.

Amen.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wir bitten dich, dass du bei uns bleibst,

wenn wir unseren Gang durchs Leben machen,

dass etwas von einer Vertrautheit bleibt

auch wenn wir uns weit von dir erweitern;

wenn das Leben uns Fragen stellt

die wir nicht so leicht beantworten können;

wenn wir selber im Leben handeln

und das nicht immer mit gutem Gewissen verantworten können.

Bleibe bei uns, wir brauchen dich so sehr.

Wir bitten dich, dass du bleibst

bei Menschen, die sosehr in Not verkehren,

dass sie kaum einen Ausweg ins Leben sehen,

die nicht mehr wissen wie sie sich nähren können,

die nicht mehr wissen wer sich noch um sie kümmert,

die keine Zukunft mehr sehen für sich selber

und für den die sich ihnen anvertraut haben.

Bleibe bei ihnen, damit es Hoffnung gibt.

Wir bitten dich, dass du bleibst

bei den bescheidenen Menschen dieser Welt,

die sich nicht erheben wollen über anderen,

die sich selber nicht wegwerfen, wissen wer sie sind,

aber es nicht brauchen um anderen zu erniedrigen,

um sinnlose Macht über sie auszuüben.

Ermutige uns, lieber Gott, zu einer Bescheidenheit,

die fruchtbar ist für den Zusammenhang von Menschen,

überall wo sie zusammenleben, zusammenarbeiten:

damit es Hoffnung gibt auf Glück,

damit Gerechtigkeit gepflegt wird,

und Menschen für einander da sein können,

so wie du es für uns gemeint hast.

“Onze Vader…”

Amen.