Gottesdienst 24. Februar 2019

Bibellesungen:

Psalm 91: 9 – 13.

Lukas 4: 1 – 13.

Lukas 9: 18 – 21.

 

Gebet:

Lieber Gott,

auch wir verlangen manchmal nach so etwas

wie dein Schutz in unserem Leben,

dass du eine Zuflucht für uns bist

wohin wir immer gehen können,

wenn das Leben schwierig ist für uns,

wenn wir Hilfe brauchen

und nicht wissen woher diese kommen kann.

Wir versuchen zu leben, Gott,

mit allem was zum Leben gehört,

mit all den Möglichkeiten auch

die uns gegeben sind,

mit all den Gefahren auch, die wir riskieren,

wovon wir oft nicht wissen wollen;

mit allem Bösen auch, das uns passiert,

das auch durch uns passiert, was wir vielleicht nicht wollen.

Auch dann brauchen wir dein Schutz, deine Hilfe,

damit wir nicht zu tief im Leben fallen,

damit die Folgen übersehbar bleiben

von allem was wir tun, was andere Menschen treiben auch,

was die Menschheit auch bedenkt.

Wir bitten dich, sei bei uns allen, Gott,

die dich in unserem Leben suchen;

sei du bei uns, mit deinen Engeln,

damit sie uns im Leben tragen;

sei du bei uns, als eine Antwort

auf all die Fragen die wir haben

und manchmal keinem stellen können;

sei du bei uns, damit wir leben,

so wie du es von uns erwartest.

Sei du bei uns, mit deiner Liebe.

Amen.

 

Predigt:

Vielleicht ist es eine gute Idee um bei den Fragen anzufangen; um heute über ‘Fragen’ zu sprechen, zu denken.

Wir stellen natürlich unaufhörlich Fragen, an anderen, und an uns selbst; aus Neugier, aus wirklichen Interesse, aus Eigennutz; manchmal mit den besten Absichten, manchmal vielleicht auch ein bisschen übertrieben: ein bisschen zu neugierig, ein bisschen zu ängstlich. Wissen wir wirklich weshalb wir all unsere Fragen stellen; ob sie wirklich notwendig und auch für anderen hilfreich sind?

Auch wenn wir über unseren Glauben nachdenken, – hoffentlich tun wir das auch, von Zeit zu Zeit – auch dann kommen manchmal Fragen bei uns auf. Auch grosse, kritische Fragen. Auch Fragen über die Hauptsachen unseres Glaubens: was halten wir eigentlich von Gott? Was erwarten wir von Ihm? Was hoffen wir von Ihm?

Und auch über die anderen grossen Themen des Glaubens stellen wir Fragen, theoretische Fragen, wenn wir genau wissen wollen wie man über den Glauben denken kann; wie man darüber gedacht hat. Aber auch existentielle Fragen: wenn wir wissen wollen was wichtig, was notwendig ist für unser Leben; wenn wir Antwort suchen auf die Frage was wir mit unserem Leben tun sollen, was wir (in bestimmte Situationen) entscheiden müssen, was unsere Haltung im Leben, gegenüber den Menschen sein soll. Vielleicht gehören auch die Fragen über die Bedeutung von Jesus dazu. Sie haben mit unserem Glauben zu tun, aber mindestens so viel mit all den Fragen über den Grundlagen unseres Daseins: warum wir leben; was wir im Leben suchen, oder tun sollen; wo genau unsere Aufrichtigkeit gegenüber anderen und gegenüber uns selbst eigentlich liegt.

All diese (und viele andere) Fragen stellen wir, und wissen manchmal nicht gut was wir darauf antworten können. Aber wir wissen manchmal auch nicht gut wie rechtmässig diese Fragen eigentlich sind. Ob Glauben nicht darin besteht, dass wir diese Fragen nicht mehr stellen dürfen; ob Glauben nicht die Überflüssigkeit all dieser Fragen beinhaltet, und sich einfach für berechtigt hält, in einem Glauben das nun einmal ist was es ist. Woran nichts mehr zu ändern, nichts mehr zu klären ist. Als etwas kostbares, das wir tief in unserem Inneres weitertragen.

Heute möchte ich ein Plädoyer für die Fragen halten. Für die Rechtmässigkeit, für die Notwendigkeit davon. Damit auch unser Glaube sich als etwas lebendiges zeigen kann, als ein Glaube der Fragen braucht um hilfreich, um bedeutungsvoll sein zu können. Das uns behilflich sein kann, im Leben, im Umgang mit anderen und mit uns selbst. Damit auch unser Vertrauen auf Gott standhalten kann in den heftigen Momenten unseres Lebens, wenn viele Sicherheiten im Leben wegfallen, und es notwendig ist gewisse Stützpunkte zu finden um es im Leben auszuhalten, und auf eine gute Weise weiter zu leben.

Heute haben wir zwei Fragmente aus dem Leben Jesu gelesen, und in beide Erzählungen werden Fragen gestellt. Auf eine offene oder auf eine mehr verborgene Weise. Und all diese Fragen sind wichtig.

Die erste Geschichte die wir gelesen haben, ist die der Versuchung Jesu in der Wüste.

Meistens wird diese Geschichte gelesen kurz vor der Passionszeit, die vierzig Tage bevor Ostern, als eine Parallele zu den vierzig Jahre die das Volk Israël durch die Wüste zog, nach dem Auszug aus Ägypten. Das war, auch damals schon, eine Zeit worin die eigene Reinheit, und damit den eigenen Auftrag im Leben, errungen werden musste. In der Leere, in der Kargheit, in der Notdurft des Lebens. Wenn es darum ging so etwas wie die Grundlage des Lebens zu erkämpfen, und fürs ganze weitere Leben wirklich zu wissen.

Wie hier dann, bei Jesus, im Kampf mit dem Teufel, einer Instanz von wer man nie weiss ob diese wirklich existiert oder nicht. Aber doch auch eine, womit man rechnen muss, als den Inbegriff all unserer schlechte Eigenschaften und Möglichkeiten.

In unsere Geschichte ist es wichtig um auch die Vorgeschichte zu bedenken. Die erste Worte unserer Geschichte lauten: “Erfüllt vom Heiligen Geist verliess Jesus die Jordangegend”. “Erfüllt von dem Heiligen Geist…” Das wird nicht umsonst gesagt. Diese Worte verweisen zum Taufe Jesu durch Johannes, die kurz davor stattgefunden hat, wobei (wird erzählt) der Heilige Geist sichtbar wurde in Gestalt einer Taube, die auf ihn herab kam, und eine Stimme hörbar wurde, aus dem Himmel, die sprach: “Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.” Es war also eins der heiligsten Momente seines Lebens, worauf (um so zu sagen) die Grundlage seines Daseins sichtbar und hörbar wurde; worin er seine Bestimmung erfuhr, auch wenn diese noch nicht konkret kennbar wurde.

Vielleicht gibt es manchmal eine kleine Parallele in unserem eigenen Leben: wenn es uns gegeben wird auf einmal zu wissen, wer wir, im tiefsten unseres Inneres, eigentlich sind, und was wir damit im Leben einfach tun müssen. Irgendwann muss es im Leben ein solches Moment geben: dass wir das beruhigende Gefühl empfangen, dass es gut ist dass wir da sind, leben; auch wenn es das beunruhigende Gefühl gibt, dass wir nicht immer wissen was wir damit anfangen können. In dieser Spannung leben wir manchmal, als ein Wissen akzeptiert zu sein, von einigen Menschen und von Gott, wie auf den Höhepunkte unseres Lebens, únd eine gewisse Machtlosigkeit, wenn wir nicht genau wissen was wir selber damit anfangen können.

Aber, wie wir wissen, es kann auch noch schwieriger werden.Und das passiert in unsere Geschichte von Jesus.

Hier wird, wie in eine Vision, sichtbar was er alles im Leben tun kann, und dazu gehören auch Dinge, die normalerweise für Menschen überhaupt nicht möglich sind, aber gleichzeitig wird er vor die Wahl gestellt ob er das auch wirklich tun will. Und er lehnt diese erst dann entdeckte Möglichkeiten ab, weil er weiss dass es noch eine höhere Aufgabe für ihn gibt.

So bietet der Teufel an, dass er aus Steinen Brot machen kann, hungrig als er ist.

So bietet der Teufel ihn die Macht über die ganze Welt an, wenn er ihn nur anbetet.

So schlägt der Teufel vor um sich vom Tempel herabzustürzen, um sich von Gottes Engel tragen zu lassen.

Es ist, in dieser Vision, in dieser Traumwirklichkeit, worin das Mögliche und das Beängstigende beide zugleich als Wirklichkeit vor einem gestellt werden, – es ist als ob hier die entscheidende Momente eines Lebens, das von Jesus, sichtbar werden. Hier muss man wählen, wer man wirklich im Leben sein will, mit den wichtigsten, von Gott gegebenen Möglichkeiten die man hat.

Das ist vielleicht auch das Beunruhigende dieser ganze Geschichte; das wir unsere im tiefsten von Gott gegebene Möglichkeiten für falsche Ziele missbrauchen können. Nur für uns selbst; um den eigenen Hunger zu vertreiben (wie wichtig es auch ist um den eigenen Hunger zu vertreiben). Oder nur um die eigene Macht zu zeigen, damit man selber angebetet wird (wie wichtig es auch ist um etwas bewirken zu können). Oder nur um so etwas wie ein Luftspiel zu spielen, in eine Art Phantasiewelt, damit die reale Wirklichkeit aufgehoben wird. Das alles wird, in den letzten Zeilen dieser Geschichte, als ein “Gott auf die Probe stellen” umschrieben. Als ein Gott ausprobieren; als ein Versuch das Beste was er uns hat gegeben, nur für uns selbst zu behalten, für unseren Ruhm, für unsere Macht, für unsere Spiele.

Das Beunruhigende, nochmals, das ist, um zu entdecken wie nah unsere von Gott gegebene Möglichkeiten und die Absichten des Teufels bei einander liegen, auch dann, wenn wir nicht in den letzten glauben. Es ist, als ob es die gleiche Möglichkeiten sind, nur mit unterschiedliche Vorzeichen, positief oder negatief: an uns ist die Entscheidung.

Diese wichtige Geschichte, nicht nur im Leben Jesu, aber auch für uns, kann man in drei Fragen zusammenfassen, die uns vielleicht unser ganze Leben begleiten.

Die erste dieser Fragen ist die Frage: weshalb lebe ich? Nicht um aus Steine Brot zu machen. Das heisst: nicht um die unmöglich scheinende Möglichkeiten unseres Lebens nur für uns selbst zu benützen. Vielleicht müssen auch wir lernen, dass es mehr Möglichkeiten gibt als wir immer dachten, auch in unserem Leben. Aber auch dieser Überschuss an Möglichkeiten, die unbedachte, können wir an anderen zur Verfügung stellen, als eine unbedachte Reichtum die wir teilen können.

Die zweite Frage ist: wen diene ich? Es ist die überaus kritische Frage wen unsere Anstrengen zugute kommen. Ob sie gutes bewirken oder schlechtes. Und auch wenn unsere Absichten gut sind, eben die beste vielleicht, müssen wir nicht aus den Augen verlieren, dass unsere beste Absichten auch schlechtes bewirken. Es ist wichtig sich auch dafür verantwortlich zu halten.

Und die dritte Frage ist: auf wen vertraue ich? Vielleicht nicht auf den Engel Gottes, die uns auf unsere Hochtouren, in der Luft oder irgendwo anders, auffangen und unterstützen. Auch wenn wir auf die Kraft Gottes hoffen, und sein Beistand in unserem Leben. Auch die Frage auf wen wir vertrauen ist eine kritische Frage, die uns im Leben begleiten darf: als eine der vielen Möglichkeiten um die Nähe Gottes zu verwirklichen, oder ins Leere verlaufen zu lassen. Wir können auch unser Vertrauen verspielen, auch ungerecht Menschen ins Vertrauen ziehen, auch ungerecht ins Vertrauen gegen werden, und damit die beste Absichten Gottes verderben.

Diese Fragen, diese Gegenfragen gegen unsere manchmal selbstverständliche Impulse, wie gewohnt sie auch aussehen mögen, – diese gehören nicht nur zu den wichtigsten Fragen unseres Lebens, es sind auch Fragen die zum Bereich unseres Glaubens gehören. Im gewissen Sinne gehören sie zum Bekenntnis unseres Glaubens.

Ein Glaubensbekenntnis ist manchmal eine kurze Antwort auf lange und dringende Fragen. Ein kurzes Wort, ein Ausruf, ein Schrei, als eine Erleichterung, eine Zusammenfassung von vielen Überlegungen. Soviel wird deutlich aus der kurze Geschichte die uns überliefert ist vom Bekenntnis des Petrus. Auch darin werden Fragen gestellt, Fragen über Jesus, was ‘sie’ (die Jünger) von ihm halten. Erst wird diese Frage ganz im allgemeinen gestellt: ‘für wen die Menschen ihn halten?’ Und die Jünger antworten dann auch mit allgemeine Antworten: der eine meint dies, der andere das. Aber wenn Jesus dann weiter fragt, nicht mehr im allgemeinen, aber ganz persönlich: “Ihr aber, für wen haltet ihr mich?” dann ist es nur einer der antwortet, Petrus. “Für den Messias Gottes”, antwortet er. Es ist die vielleicht am meisten verpflichtende Antwort die man geben kann. Aber auch eine Antwort, die undenkbar ist ohne alle die vorangehende und manchmal unbedachte Fragen. Eine Antwort die durch all die Fragen hindurchgegangen sind, und zusammenhängen mit den anderen grundlegende Fragen die wir uns im Leben gestellt haben, oder die anderen uns gestellt haben. Ein Glaubensbekenntnis versucht auf alle diese Fragen eine kurze, aber entscheidende Antwort zu geben. Damit wir über die Grundlagen unseres Lebens auch weiter Bescheid wissen.

Wichtig an dieser Geschichte, und an dem Glaubensbekenntnis selber, ist auch, dass nicht nur wir es sind, die Fragen stellen, aber auch dass an uns, den Jüngern, Fragen gestellt werden. Glauben, kann man sagen, ist so etwas als ein Wissen, dass an uns Fragen gestellt werden. Fast immer schon, damals und heute. Und dass es darauf ankommt, nicht nur im allgemeinen darauf zu antworten, sondern wir wirklich selbst, persönlich. Mit dem Einsatz all unseren Kräften, mit Verstand, mit Gefühl, und mit Tatkraft.

So etwas las ich in dem Buch des Französischen Schriftstellers Edmond Jabès, das (auf Deutsch) “Das Buch der Fragen” heisst. Darin schreibt er: “ Gott ist eine Frage, antwortete Reb Mendel, eine Frage, welche uns hinführt zu Ihm, der Licht ist durch uns, für uns.”

Amen.

 

Gebet:

Wir bitten dich, dass du uns immer wieder die Offenheit schenkst

um die wichtige Fragen zu entdecken die sich im Leben vortun,

hinter allem was uns so selbstverständlich scheint:

damit wir wissen was wir anders tun können,

damit wir sehen was anderen brauchen,

damit wir das Wunder des Lebens erleben

und uns mit Verwunderung fragen können

woher das alles stammt? weshalb so viel so schön ist?

warum so viele Menschen so besonder sind?

Wir bitten dich, dass du uns immer wieder die Feinfühligkeit schenkst

um auch in unserem Leben zu unterscheiden

zwischen dem was wirklich wichtig ist, was wir tun müssen,

und dem was wir einfach lassen können,

was nicht so wichtig ist für uns,

verwahrlosbar für Menschen.

Damit wir fragen können: was ist notwendig? für mich, für anderen?

Was ist heilsam um zu tun?

Wir bitten dich, dass du uns immer wieder die Einfühlungsgabe verleihst

um die Fragen die anderen stellen auch vernehmen zu können,

Fragen die notwendig sind für ihr Dasein,

wenn es ums Leben geht, ums Überleben,

um das einfachste manchmal das sie brauchen,

um wirkliche Hilfe, um Verständnis,

um so etwas wie eine Gastfreundschaft

die Zukunft möglich macht.

Sei bei uns allen, Gott, die deine Liebe brauchen,

um wirklich Mensch von dir zu sein

in unsere Welt.

“Onze Vader…”

Amen