Gottesdienst 20 Mai 2018, Pfingsten

Bibellesungen:

Jesaja 41: 17 – 20.

Genesis 11: 1 – 9.

Apostelgeschichte 2: 1 – 12.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

auf diesem heiligen Tag von Pfingsten kommen auch wir zu dir,

in der Hoffnung von dir inspiriert zu werden,

vielleicht nicht auf dieselbe Weise wie die Menschen von damals,

angefeuert durch deinen heiligen Geist,

durch Stürme aus ihrem Haus gejagt,

aber dennoch auf eine andere Weise erfahrend

dass du uns beflügelst,

uns in einer Höhe versetzt, die wir manchmal brauchen

um wieder zu wissen, was unsere Basis ist,

die Grundlage unseres eigenen Lebens.

Wir erfahren das Leben manchmal in ihrer Trockenheit,

wenn es durch Nichts und Niemand mehr wird aufgefrischt;

wir brauchen dann so etwas wie deine Führung durch die Wüste,

wie du uns mit Wasser erquickst, und neues Leben schenkst.

Wir erfahren das Leben manchmal in ihrer Sprachlosigkeit,

wenn wir nicht mehr wissen was die wirklich wichtige Worte sind,

die unser Leben je bestimmten, unsere Reichtum waren;

wenn wir nicht mehr verstehen was anderen uns sagen,

wenn wir die Worte nicht mehr finden

um anderen zu trösten, um anderen zu segnen.

Wir bitten dich: sei du bei uns,

und pflanze deine Reichtum wieder in unserem Leben,

erfrische uns mit deinem Geist,

der uns erneuert, mutig macht,

Vertrauen gibt, dass wir aufs neue

die Worte finden die wir brauchen

um Mensch von dir zu sein in unserer Welt,

die Worte auch die bei uns gehören,

die wir nicht verlieren magen, um zu verstehen

was du uns sagen willst, wozu du uns brauchst.

Sei bei uns, Gott, mit deinem Geist, mit deiner Kraft.

Amen.

 

 

 

Predigt:

 

Das Pfingstereignis, so wie wir das heute gelesen haben, ist nicht nur etwas von damals, auf grosser Abstand von uns, durch die Zeit, durch die Entfernung, – durch die Sprache auch worin dieses Ereignis erzählt wird, mit all den heftigen Bilder die offenbar notwendig waren um diese Geschichte zu erzählen. Es ist manchmal die Kunst des Lesens, schon von vielen Büchern, aber sicher auch der Bibel, um sich so etwas wie ein Zeitgenosse zu verstehen, jemand der fast die Ereignisse die erzählt werden, selber miterlebt. Als wir jung waren, – so ging es mir wenigstens,- und die erste Bücher die wir lasen verschlangen, und wir aus der Verzauberung geweckt wurden, weil es offenbar notwendig war dass wir essen oder schlafen müssten, dann wurden wir plötzlich in eine uns fremde Zeit versetzt, in der Gegenwart, die durchaus viel prosaischer war als der Zeit worin wir eigentlich lebten. Vielleicht war das damals schon eine Übung, eine Andachtsübung, um wirklich zu wissen dass wir gleichzeitig in verschiedenen Zeiten leben können; dass frühere Zeiten auch jetzt noch zu uns sprechen können als ob wir selber darin leben; oder dass wir nicht nur im Jetzt leben, wie leidenschaftlich wir das auch manchmal tun, sondern auch in immer wechselnden Zeiten, die zu uns sprechen, und uns auch wichtige Dingen mitteilen, die wir nicht ohne grosse Schaden für uns selbst vernachlässigen können. Wir leben in verschiedenen Zeiten, und das ist oft auch sehr hilfreich um das immer komplizierte Leben zu bewältigen.

Es ist als ob die Geschichte von Pfingsten selber schon auf diese verschiedene Zeiten präludiert. Sie beschreibt nicht nur was an diesem besonderen Tag in Jerusalem passiert, sondern auch so etwas wie es sich im Lauf der Zeiten vollziehen konnte. Vielleicht wird das am deutlichsten sichtbar im Wunder der eine Sprache. Die Geschichte von Pfingsten spricht auf zwei verschiedene Weisen was dann passiert: erst wird erzählt dass alle Menschen die dort waren,- im Haus wo sie waren, wenn es zu Stürmen anfangt, und Zungen wie von Feuer sich auf ihnen verteilten,- dass sie alle “begannen, in fremden Sprachen zu reden”. Später in der Geschichte wird es ein bisschen anders erzählt: wenn erzählt wird dass alle fremdsprachige Menschen in ihren eigenen Sprache hören was die Apostel sagen. Dieses Hören in der eigene Sprache ist nicht dasselbe wie das Sprechen in anderen Sprachen, nicht die Kehrseite davon. Das Wunder der eine Sprache, die alle Sprachen der damaligen Welt überbrückt und vereinigt, – vielleicht haben die damals anwesende Menschen etwas davon selber erfahren, aber gleichzeitig ist es offenbar, dass die wirkliche Einheit von Menschen, in der gemeinsame Sprache, in der wirkliche Gemeinschaft des Geistes, noch etwas ist das in der Zukunft liegt. Diese wirkliche Einheit ist noch etwas ‘eschatologisches’, wie es heisst, es verweist nach die letzte Zeiten der Menschheit, wo Gott (um sozusagen) alles in allem ist, wenn seine Absichten sich vollständig, vollkommen, verwirklicht haben. Damals wird auch noch gespottet über dieses Wunder der gemeinsamen Sprache, es wird auf zu viel “süssen Wein” zurückgeführt. Aber inzwischen wird auch klargemacht, dass auch hier die Spötter unrecht haben werden, in eine Zeit die noch aussteht, die wir noch erwarten können.

Was beinhaltet dan eigentlich das Wunder der eine Sprache?

Es verweist offenbar zum uralten Verlangen der Menschheit um einander in allem verstehen zu können. Eine der ältesten Mythen die wir kennen, ist die Geschichte über den Turmbau von Babel. Darin wird einfach postuliert, dass die Menschen alle die gleiche Sprache hatten, und die gleiche Worte gebrauchten. Sie sind stolz darauf, obwohl sie sich dafür kaum Mühe hatten geben müssen. Um diesen Stolz zu zeigen richten sie einen Turm auf, “mit einer Spitze bis zum Himmel”. Es ist als ob sie sich Gott gegenüber ebenbürtig zeigen wollen; als ob Menschen in ein Konkurrenzverhältnis zu Gott stehen können, und ihn zeigen können dass sie so ungefähr gleichwertig sind. Diesen Stolz wird von Gott zerstört, wird erzählt, weil der Glaube in ihn nicht dazu bestimmt ist, um den eigenen Stolz zu zeigen, um ihn herauszufordern diesen Konkurrenz anzugehen. Deshalb wird diese stolze Einheit zerstört, die gemeinsame Sprache verwirrt, und die Menschen über die ganze Erde zerstreut. “Babel’, das ursprünglich so etwas wie Pforte des Himmels meinte, heisst in der hebräische Sprache “Wirrsal”, “Gemenge” übersetzt Buber. Es deutet eine verwirrende Vielheit von Menschen und Sprachen an.

Es wird gesagt dass die Ursprünge der Mythologie Furcht und Einsamkeit sind, wie  Joseph Brodsky es formuliert hat. Wenn das stimmt, dann geht es hier vielleicht um die Spannung zwischen zwei verschiedene, gegensätzliche Sehnsüchte von Menschen: um das Verlangen die erfahrene Einsamkeit aufzuheben, mit anderen Menschen sprechen zu können, und sich von anderen verstanden zu wissen. Damit wir ein Gefühl von Eigenwert entwickeln können, wissen wer wir sind. Dort gegenüber steht die Angst von Menschen um von anderen überwältigt zu werden, herabgesetzt, oder ignoriert. Die negatieve Erfahrung von anderen Menschen ist durchaus imstande viel Vertrauen, viel Hoffnung, zu vernichten, und den Glauben in eine heilsame Zukunft.

Diese beide Seiten der Mythologie, Furcht und Einsamkeit, können wir in der Geschichte der Turmbau von Babel wieder erkennen: das Verlangen anderen in eine gemeinsame Sprache zu erreichen und erreicht zu werden; und die Furcht von anderen dominiert zu werden, durch ihre Macht, ihre Konkurrenz, ihre Lieblosigkeit.

So können Menschen dann für eine lange Zeit aus einander getrieben werden, oder für immer. So wie es in der Mythe von Anfang her schon geschildert wurde.

Ist nun die Geschichte von Pfingsten, wo die Menschen einander verstehen können wenn sie von “den grossen Taten Gottes” reden hören, – ist diese Geschichte nun so etwas wie eine Umkehrung des Babelsgeschehen? Wird hier wieder gewonnen was dort verloren war?

Diese ‘Lösung’ sieht einfach zu kurz. Es geht auch inhaltlich um eine Lage tiefer als die einfache Wiederentdeckung einer gemeinsamen Sprache. Um diese zu entdecken, müssen wir noch einen Schritt weiter gehen. Dann müssen wir uns dessen bewusst sein, dass wir nicht nur leben in einer Welt mit sehr verschiedenen Sprachen, aber auch selber in verschiedenen Welten leben, und in verschiedenen Sprachen sprechen. Und, gleichzeitig, manchmal verlangen nach eine einfache Lebensweise, eine einfache Sprache worin wir auch uns selber erreichen, und ausdrücken können.

Ich komme darauf durch ein Fragment des Russischen Schriftstellers Joseph Brodsky, der schon früh exiliert wurde. Er spricht darüber dass (wie er schreibt) “die Zeit den Menschen in verschiedenen Sprachen anredet: in denen der Unschuld, Liebe, Treue, Erfahrung, Geschichte, Erschöpfung, Schuld, in denen des Zynismus, des Verfalls usw.”  Aber dabei bleibt es nicht. Wir werden nicht nur durch diese verschiedene Sprachen angeredet, und sprechen selber in diesen verschiedenen Sprachen, – es gibt auch so etwas wie die Möglichkeit, und das Verlangen, um in alle diese verschiedene Erfahrungen eine gemeinsame Sprache zu entdecken: eine “lingua franca’, wie Brodsky schreibt, eine gemeinsame Sprache, vergleichbar mit dem Lateinischen im Mittelalter, wo die Menschen neben ihre Volkssprachen manchmal auch noch Lateinisch kannten, und sprachen. Nicht alle, zwar, aber es gab für vielen die Möglichkeit sich in der damals bekannte Welt fast überall einigermassen zu verständigen. Brodsky zufolge ist diese ‘lingua franca’ in alle eben genannte Erfahrungen die Liebe: in alle, auch den heftigsten, Erfahrungen unseres Leben suchen (oder vermissen) wir die Liebe. Er schreibt: “Ihr Wortschatz (der Wortschatz der Liebe) nimmt den aller anderen Zungen in sich auf, und ihre Äusserung beschwingt ein Sujet, so unbeseelt es auch sein mag. So ausgedrückt zu werden, verleiht dem Sujet einen geistlich verbindlichen, fast heiligen Namen, worin sich sowohl unsere Art und Weise, die Gegenstände unserer Leidenschaften wahrzunehmen, widerspiegelt als auch die der Bibel entsprungene Ahnungen dessen, was Gott ist.” (Flucht aus Byzanz, p.30).

Was Brodsky hier, in aller Kürze und Dichte, schreibt, ist vielleicht ein Plädoyer für die Würdigkeit des Menschen, die darin besteht, dass er, auch in den schrecklichen, hoffnungslosen, Erfahrungen seines Lebens, – in allem was er nicht gesucht hat,- dennoch versucht festzuhalten an die Möglichkeit der Liebe. Und an die Sprache der Liebe, die an der unerwartesten Stellen unserer Welt, auch in unserem Leben, spürbar und sprechbar wird. Und von anderen verstanden wird. Diese Liebe durchzieht alle andere Bereiche des Lebens, als eine Erfahrung des Unendlichen, wie Brodsky Gott nennt. Wenn wir diese Liebe erfahren, können wir glauben, schreibt er, oder schreiben wir Gedichte.

Vielleicht können wir von hier aus versuchen das Pfingstereignis zu verstehen. Verstehen wie in alle Sprachen dieser Welt, und in alle verschiedenen Sprachen von uns selbst, etwas von dieser Liebe Gottes, von den grossen Taten Gottes, schimmert, wie ein Licht in unserer Finsternis.

Damit wurde je ein Anfang gemacht, ein Neu-Anfang wenn man will, wenn man Babel bedenkt. Aber glaubend in das Wunder das wir überall in dieser Welt einander einfach verstehen können, wenn wir im Geiste Jesu die anderen in Liebe begegnen, anhören und anreden wollen. Wenn wir bereit sind über die Grenzen unserer eigenen begrenzten Sprachen hinauszugehen, und die Begegnung in Liebe suchen. Wenn wir einfach glauben können, das nicht nur wir von Gott geliebt werden, sondern dass er seine Liebe über die ganze Welt hinausbreitet, in alle Sprachen hörbar ist. Und das es letztendlich darum geht, seine Liebe zu uns in unserem eigenen Leben zu spüren, und sichtbar zu machen in unsere liebevolle Taten. In eine Haltung von Verständnis und Offenheit, dass auch wir Gottes Liebe verwirklichen können, und genau darin von anderen verstanden werden.

Amen.

 

 

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wir bitten dich, dass du uns immer wieder lehrst

die Sprache zu verstehen womit du zu uns sprichst,

dass wir verstehen gerufen zu werden

zu einem einfachen Verständnis deiner Liebe,

wie wir in deiner Liebe geboren und aufgewachsen sind,

auf unseren eigenen Wege gesetzt,

damit wir wissen wer wir sind,

wie sehr von dir geliebt.

Wir bitten dich, dass wir immer besser verstehen

wie sehr du auch andere Menschen liebst,

auch in ihrem Leben lenkend anwesend bist,

auch in ihren Sprachen zu uns sprichst,

uns aufweckst um auch sie zu lieben,

und zu verstehen was sie fragen.

Wir bitten dich, dass wir genau hören können

was du zu uns in unserem Leben sagst,

deine Worte verstehen inmitten der vielen Wörtern

womit wir Menschen zu einander sprechen,

bewahr uns vor dem Wirrsal, von vielen Wörtern durcheinander,

damit wir immer wieder das Wort der Liebe hören,

womit du immer zu uns sprichst,

das uns geschenkt wurde, um durchzugeben,

damit wir deine Liebe in unserer Welt verwirklichen,

als Feuer, Sturm, als Licht an Menschen.

Schenk uns deine Liebe, Gott,

damit wir diese weiterleiten in unserem Leben,

an all den Menschen die wir begegnen können,

als deine Gemeinde auch, in dieser Stadt, in diesem Lande;

gib uns die Klarheit um zu sehen wo wir deine Liebe brauchen,

gib uns die Kraft um diese zu verwirklichen.

“Onze Vader…”

Amen.