Gottesdienst 25 November: Ewigkeitssonntag

Bibellesungen:

Klagelieder 3: 52 – 58.

Mattheus 9: 18 + 19; 23 – 26.

Römer 14: 7 + 8.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wir kommen zu dir, mit unserem Gebet,

weil auch wir manchmal wissen von den Tiefen des Lebens,

weil wir es von anderen gehört haben was ihnen passiert ist,

wie schrecklich es ist um so weiter zu leben,

oder weil wir es selber am eigenen Leibe erfahren haben

wie unser Lebensweg plötzlich verstört wurde,

wie von dem Tod umgeben.

Wir wissen wie der Tod uns im Leben umringt,

in so viele Gestalten, mehr als wir wahrhaben wollen,

nicht nur als das Ende eines teuren Lebens,

aber auch als das Unverständnis von Menschen

für was das Leben so kostbar macht;

wo Liebe in Hass verkehrt,

wo soviel Unverständnis herrscht für was menschlich ist,

für was Menschen einfach brauchen,

für was Menschen in ihrer Würdigkeit sind.

Wir wissen manchmal nicht mehr wo wir hinsehen müssen,

worüber wir ganz sorglos sein können,

wir wissen nicht mehr was unser Leben übersteigt,

wo wir etwas Heiliges entdecken und erfahren können,

was uns ermutigt noch in unserem Leben,

und wo wir selber mutig sein müssen,

wenn das Leben, wenn die Welt, darum fragt.

Deshalb bitten wir dich, lieber Gott,

dass du bei uns allen bist, in unserem Leben,

dass du uns erlöst, aus der Tiefe, wenn diese da ist;

dass du uns Mut gibst, um das Leben wirklich zu leben,

mit allen Freuden, aber auch mit den schwierigen Fragen;

dass du uns Kraft gibst, um ein Mensch von dir zu sein,

in unsere Welt, mit all den Menschen die es gibt.

Amen.

 

 

 

 

Predigt:

 

In der zweite Hälfte seines Lebens, als der Dichter Friedrich Hölderlin (wie man sagt)  “umnachtet” war, hat er noch viele kurze Gedichte geschrieben, manchmal angeregt von seinen Besucher, manchmal über die Jahreszeiten, aber auch bei verschiedene andere Gelegenheiten. Diese Gedichte sind, wie ein Kommentator schreibt, “durchgehend eigentümlich spannungslose, monotone und doch in ihrer Einfachheit manchmal noch anrührende Verse.” Eines dieser Gedichte hat als Titel: “Auf den Tod eines Kindes”. In welche Umstände er es geschrieben hat, was der Anlass war, ist (so weit ich weiss) unbekannt. Es ist gut dass dieses Gedicht aufbewahrt ist, obwohl es in vielen Ausgaben Hölderlins fehlt. Es lautet so:

 

Die Schönheit ist den Kindern eigen,

Ist Gottes Ebenbild vielleicht, –

Ihr Eigentum ist Ruh und Schweigen,

Das Engeln auch zum Lob gereicht.

 

Aus einem solchen Gedicht können wir lesen, dass der Mann der dieses geschrieben hat, weder sein Gefühl noch sein Verstand verloren hat. Was auffällt in diesem Gedicht, das ist dass es keine einfache Lösungen anbietet, kein falscher Trost, für den Verlust eines Kindes. Und dennoch ist es vor allem Trost die hier gespendet wird. Trost als Erinnerung an die Schönheit dieses Kindes, an die Schönheit aller Kinder eigentlich, die hier, in diesem Gedicht, nicht nur als Geschöpfe Gottes angeredet werden, sondern  als “Gottes Ebenbild vielleicht”. Das heisst: so hat Gott den Mensch gemeint, als sein Ebenbild; als denjenigen, der wesentliche Züge mit Gott gemein hat, und als Stellvertreter von Ihm hier auf Erden Ihn vergegenwärtigt. Der Mensch, und -vielleicht (!) – vor allem das Kind, zeigt ein bisschen, wie Gott sich selber sieht, in wessen Schönheit Gott sich selber erkennt. Im Gedicht wird an diese Schönheit, an dem was wir mit Gott gemeinsam haben, erinnert. Um das nicht zu vergessen, in dieser schwere Stunde, und in allen Stunden wenn wir wieder an einer solchen Verlust erinnert werden, und dieser aufs neue erleben müssen.

Eigenartig doppelsinnig ist, was im Gedicht vom “Ruh und Schweigen”, gesagt wird, als das ‘Eigentum’ der Kinder. Als ob das vor allem die Eigenschaften der Kinder sind, die wir uns dann auch erinnern müssen. Aber es sind natürlich vor allem Eigenschaften von Kindern, die nicht mehr im Leben sind, aber hier so vorgestellt werden dass sie, genau in ihrer Ruhe und Schweigen, mit den Engeln gleichgestellt werden. Als Schöpfungen Gottes, die Ihn am Nächsten stehen. Hölderlin spielt hier mit den Gedanken, dass gestorbene Kinder eigentlich Engel werden, und damit zu ihrer Bestimmung kommen, in der Nähe Gottes. So wie wir das auch hier in Friedrichstadt an bestimmten Häusern sehen können, wo Engelköpfe oben der Tür angebracht sind, als eine Andeutung dessen dass dort ein Kind gestorben war. Auch als Trost, als Erinnerung an die bleibende Nähe bei Gott dieses ihres Kindes, in Ruh und Schweigen.

Vielleicht können wir in diesem Gedicht Hölderlins auch noch einen Unterton von Protest hören: als ein leiser Vorwurf an Gott. Der hätte es nicht zulassen, nicht erlauben müssen, dass eben ein Kind sterben musste. Als ob das unvereinbar war mit der Schönheit eines Kindes, mit seiner Jugend, mit allem was genau dieses Kind versprach. Und vielleicht vor allem mit der Gedanke des Ebenbild Gottes, das doch keine Beschädigungen zulässt, auch nicht durch den Tod. Aber vielleicht müssen wir das alles erst gedacht haben, diesen Protest, diese widerstehende Gedanken, um letztendlich den Trost zuzulassen, dass auch dieses Kind wieder bei Gott ist, als sein Ebenbild, in seiner Schönheit, in Ruh und Schweigen.

Vielleicht können wir heute, mit diesem Gedicht Hölderlins vor Augen, so etwas wie einen neue Zugang finden zu unserer Bibelgeschichte die wir eben gelesen haben. Auch dort stirbt ein Kind, wie der Vater meint; wie die klagende Leute meinen, die schon angefangen haben mit ihrem Flötenspiel und Gesänge um ihre Trauermusik zu spielen; wie die umstehende Leute meinen, die manchmal herangerufen werden um in den allgemeinen Trauer zu teilen. Das alles zeigt, wie der von vielen geteilten Trauer schon ein bisschen Trost bieten kann, damit wir nicht alleine tragen müssen was uns sosehr getroffen hat. Aber allen diesen Menschen gegenüber ist Jesus der Meinung zugetan, dass dieses Mädchen nicht gestorben ist, sondern schläft, wie er sagt. Und wenn sie ihn dann auslachen, als ob er eine unverständliche Absurdität geäussert hat, tritt er ruhig ins Haus, fasst das Mädchen an der Hand, damit es auferstehen kann. Und sie tut das auch. Und der Kunde davon, schreibt Matthäus, verbreitete sich in der ganzen Gegend.

Die Frage ist, was diese Kunde eigentlich beinhalten konnte. Ich glaube nicht, dass es hier schon um so etwas wie ein Beweis geht, dass Jesus die Macht hatte um Menschen aus den Toten aufzuerwecken. Das muss erst sehr viel später passiert sein, als verschiedene Erfahrungen auf der Grenze von Leben und Tod sich (um sozusagen) verhärtet haben zu einem Dogma, eine feste Glaubensüberzeugung, von der Auferstehung von den Toten. Es ist (denke ich) nicht gut um dieses spätere Dogma hineinzulesen in den viel vorsichtigere Geschichten, von verletzbaren Erfahrungen von Menschen. Die von den Tod von Menschen, von Kindern auch, erschüttert waren, beeindruckt aber auch von der Person Jesu, und die ‘Kunde’ weitererzählt haben von etwas das ‘vielleicht’ passiert ist (um dieses wichtige Wort das Hölderlin benutzt wieder aufzunehmen).

‘Vielleicht’ ist das am meisten passende Wort um die verschiedene Erfahrungen von Menschen auf der Grenze von Leben und Tod zu umschreiben. Wenn wir die Geschichten darüber genau und einfühlend versuchen zu lesen, – und es sind eigentlich nur weinige: unsere Geschichte von heute, und dann auch die Geschichte von der Auferwecken vom Jüngling von Nain, die Auferweckung van Lazarus, und dann letztendlich die Auferstehung von Jesus selbst, – wenn wir diese Geschichten mit der erforderlichen Zartheit lesen, dann verstehen wir sie alle als vorsichtige, ehrfürchtige Geschichten, wo liebevoll den Schmerz von Menschen berührt wird, und vielleicht ein bisschen Hoffnung gegeben wird, dass das Leben von Menschen auch nach dem Tod mit Gott weitergeht. Es sind grundsätzlich verschiedene Bilder von dieser innige Verbundenheit mit einander und mit Gott. Als ob das Leben weiter geht, vielleicht. Wie genau, wissen wir nicht, und es muss auch möglich sein, in unserem Glauben, um das Geheimnis davon zu respektieren.

Es ist das vielleicht am meisten verletzbare Teil unseres Glaubens, nicht nur weil es uns so persönlich angeht, aber auch weil wir hier vor allem merken dass wir es hier fast ohne vernünftige Gründe stellen müssen. Fast mit leeren Händen, ohne Beweise, aber mit einem vorsichtigen Glauben der weiss, dass es uns um etwas teueres geht.

Vielleicht ist das wichtigste noch um zu wissen dass wir nicht alleine stehen in diesem verletzbaren Glauben.

Wir wissen uns innerhalb einer Gemeinde von Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen von Leben und Tod. Die auch ihre Erfahrungen von Schmerz und Trauer haben, aber dennoch versuchen in ihrem Glauben ein Halt für das Leben zu finden. So wie wir das nicht nur im Angesicht des Todes versuchen zu tun, aber auch in den vielen (und manchmal auch reiche) Aspekten des Lebens.

Wir wissen uns auch innerhalb einer lange Tradition der Kirche, die auf ihre beste Momente immer versucht hat, das Leben und den Tod zu verknüpfen mit dem was Jesus uns vorgelebt hat. So schreibt Paulus darüber, in seinem so wichtigen Brief an den Römer:

“Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.”

In diesen Worten wird ein Bild von Menschen gezeichnet, die wissen nicht nur für sich selber zu leben. Im Glauben wissen wir auch, dass wir in grössere Zusammenhänge leben, als allein das eigene Dasein. Wir wissen uns verbunden mit anderen Menschen, aber auch darüber hinaus wissen wir uns aufgehoben zu einer Verbundenheit mit dem Geheimnis des Lebens, das wir Gott nennen. Im Glauben erfahren wir den Mensch Jesus als ein Zeichen dieser Verbundenheit, der uns zugänglich ist, und dessen Kraft uns behilflich ist. Im Leben wie im Tod. Beim allem was wir tun und treiben, und auch bei dem worin wir hilflos sind. Aber im Vertrauen auf Gott, der uns nah ist, und uns manchmal voraus ist. Als ob er weiss was unser Leben am besten sein kann, und er uns winkt um seine Nachfolger zu sein.

Im Leben, im Tode, und, vielleicht, im Auferstehung.

Amen.

 

Gebet:

 

Lieber Gott,

wir bitten dich für die Menschen die trauern

um jemand der gestorben ist, um ein Kind, einen Erwachsenen,

um jemand der zu früh gestorben ist, nach unserem Gefühl,

um jemand den wir lieben, manchmal unser Leben lang,

um jemand der uns soviel hat gegeben,

für uns bestimmend war, in unserem Leben.

Sei du bei ihnen, als einer der mitträgt was sie vermissen,

als einer der tröstet in unserem Kummer.

Wir bitten dich für die Menschen, in unserer Welt,

die täglich von dem Tod umgeben sind,

die gefoltert werden von Hunger und Durst

und keine Mittel mehr sehen um weiter zu leben;

die leben in Ländern wo Krieg herrscht und Hass,

wo sie ihr Leben nicht sicher sind, und kaum noch Zukunft vor Augen.

Sei du bei ihnen als einer, der ihnen einen Funken Hoffnung gibt,

damit das Leben auch für sie der Mühe wert ist,

und sie Vertrauen haben können, in sich selbst und in anderen Menschen.

Wir bitten dich für die Menschen, die versuchen zu leben

in Offenheit für andere Menschen, wissend was sie kümmert,

in Verbundenheit mit unserer Gesellschaft, hörend was dort lebt,

aufmerkend auch was notwendig ist um zu tun,

damit Gerechtigkeit an Menschen getan

und eine Spur von Frieden sichtbar wird.

Sei du bei uns, damit wir einander nicht verlieren,

aber aufbauen zu klare, kraftvolle Menschen,

die einander Recht in den Augen sehen können,

voller Mut, voller Hoffnung, voller Liebe.

Sei du bei uns allen, Gott, wir brauchen dich

um liebevolle Menschen zu sein.

Amen.